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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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wies die Aufmerksamkeiten der venezianischen Kurtisane, die ihn begleitete, zurück und nahm stattdessen an seinem vergoldeten Sekretär Platz.
    Hier, bei zugezogenen Vorhängen, ganz allein in der parfümgeschwängerten Wärme seines Gemaches, nahm der Gesandte die Feder zur Hand und setzte ein Schreiben auf. Als er fertig war, trocknete er die Tinte mit ein wenig Sand und faltete den Bogen Pergament zweimal. Dann erhitzte er das rote Siegelwachs über der Kerzenflamme, ließ es wie Blut auf das Pergament tropfen und drückte mit einer geübten Handbewegung seinen Siegelring hinein. Das Wappen zeigte den geflügelten Löwen von San Marco. Guilini drehte den Brief um und adressierte ihn. Der Bote des Königs wartete schon vor der Tür.
    Der Brief ging an Seine Exzellenz, den Dogen von Venedig.
     

Kapitel 29
    Vor Morgengrauen
    Leonora lief den ganzen Weg von San Marco nach Hause. Ihr war, als brenne sich die Kopie des Briefes durch die Leinentasche an ihrer Hüfte. Es war noch früh am Abend, doch die Straßen lagen bereits verlassen da. Sie kannte den Grund - es war der Abend vor Beginn des Karnevals, und die Bürger von Venedig legten letzte Hand an ihre Kostüme oder gönnten sich noch ein wenig Schlaf, bevor der Trubel losging. Am nächsten Tag würden die Touristen wieder in Schwärmen in die Stadt einfallen und sie aus ihrem Winterschlaf reißen. Venedig, verschlossen und kalt, wie es nur seine Einwohner kannten, würde von neuem erblühen - wie Dornröschen, das von dem Kuss des Prinzen aus seinem hundertjährigen Schlaf erwacht.
    Es war ein frostiger Abend, Leonora konnte ihren Atem sehen. Sie wollte so schnell wie möglich nach Hause, doch das Gewicht des Kindes und die vereisten Straßen zwangen sie bald dazu, ihre Schritte zu verlangsamen. Die abweisenden Fronten der Häuser und Paläste schienen vor ihr zurückzuweichen, und ihr Bernsteingold war im kalten Abendlicht zu Grün und Grau verblichen. Leonora musste daran denken, was Alessandro einmal gesagt hatte: In Venedig sei das Mondlicht grün, da es sich in den Kanälen spiegelte. So war es auch heute. Schaurig und gespenstisch erschien ihr der grünliche Schimmer, so als lege sich der Hauch des Todes auf lebendiges Fleisch. Der Kanal wirkte wie mit kaltem, grünem Glas gefüllt, hart und abweisend wie die Stadt. Bei uns findest du keine Zuflucht,    schienen die Häuser ihr zuzurufen. Du bist nicht länger eine von uns. Ständig musste Leonora an die Worte des Gesandten denken, die sie soeben gelesen hatte. Worte, die Corradino anklagten.
    Plötzlich sah sie ein warmes, freundliches Licht durch die Dunkelheit schimmern - es waren die Fenster ihrer Wohnung, wie sie feststellte. Sie waren ein Leuchtfeuer, das sie in den sicheren Hafen geleitete.
    Wieso ist das Licht an? Ist etwa Alessandro da?
    Mit klopfendem Herzen drehte sie den Schlüssel im Türschloss, doch derjenige, der in der Wohnung Licht gemacht hatte, war nicht Alessandro, sondern seine Cousine. Marta saß am Küchentisch und hatte «II Gazzettino» vor sich ausgebreitet. Sie schaute lächelnd auf, als Leonora mit vom Frost geröteten Wangen und erwartungsvollem Blick eintrat.
    «E freddo, vero?»
    Leonora nickte, während sie Handschuhe und Schal ablegte. «Eisig.»
    Die Miete ist fällig, das hatte ich ganz vergessen. Gott sei Dank hat Adelino mir nicht nur das Gehalt für den November gegeben, sondern mich bis zum Jahresende ausgezahlt. Momentan lebe ich noch von meinen Reserven, aber was nächsten Monat wird, das weiß der Himmel. Die Wohnung darf ich nicht auch noch verlieren.
    Als sie durch die Küche ging, um das Geld aus ihrem Tagine-Topf zu holen (wo es jeder Einbrecher vermutlich sofort gefunden hätte), hörte sie, wie Marta die Zeitung zusammenfaltete. Leonora trat an den Tisch, bezahlte die Miete für den kommenden Monat und bot Marta ein Glas Wein an. Ihre Vermieterin zögerte kurz.
    «Ich weiß nicht... Ich ... Also gut.»
    Leonora öffnete eine Flasche Valpolicella und goss sich selbst ein Glas Wasser ein. Während ihr das Wasser    aus dem Hahn kalt über die Finger rann, beobachtete sie Marta aus den Augenwinkeln. Die Cousine ihres Geliebten. Auf den ersten Blick sahen sich die beiden überhaupt nicht ähnlich, doch heute erinnerte Martas Art sie an Alessandro -das gleiche unbehagliche Zögern, die gleiche verschlossene Zurückhaltung. Leonora trug die Getränke hinüber zum Tisch.
    Was verheimlicht sie mir?
    Leonora setzte sich, und die beiden Frauen schwiegen für eine

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