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Die Glasblaeserin von Murano

Die Glasblaeserin von Murano

Titel: Die Glasblaeserin von Murano Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Klarheit schaffen - sowohl was Corradino betraf als auch in ihrer Beziehung zu Alessandro. Doch zuerst war die Vergangenheit an der Reihe.
    Während der Fahrt begann sie zu erzählen, berichtete Alessandro alles. Von Corradino. Von Roberto. Von den Enthüllungen im «II Gazzettino». Als sie Vittoria erwähnte ,    beobachtete sie ihn scharf, doch er zeigte weder Überraschung noch Verlegenheit. Er runzelte bloß die Stirn.
    Vittoria kann warten. Im Moment brauche ich seine fachkundige Meinung.
    Sie erzählte ihm von Padovani und ihren Recherchen in der Bibliothek. Dann zog sie den Brief, den sie schon so oft gelesen hatte, aus ihrem Kleid und reichte ihn Alessandro. Er wartete einen Augenblick, bis sie den Schatten der Seufzerbrücke hinter sich gelassen hatten, dann begann er zu lesen.

Kapitel 31
    Die Bleikammern
    Von Entsetzen gepackt, schleppte sich Giacomo über den Ponte dei Sospiri, die Seufzerbrücke. Durch die kunstvollen Fensterrahmen warf er einen letzten Blick auf die Mole, wo der Karneval in vollem Gange war. Der Durchgang war eng und stickig im Vergleich zu den prächtigen, weitläufigen, mit vergoldeten Fresken geschmückten Räumen, in denen man ihn verhört hatte. Ihm war die Absicht dahinter wohl bewusst. Der Verurteilte ging aus dem Licht, der Wärme und Weite hinüber in die erdrückende, feuchte Finsternis des meistgefürchteten Kerkers - in die Bleikammern, die piombi, die nach ihren bleigedeckten Dächern benannt waren. Giacomo wusste so gut wie jeder andere Bewohner    Venedigs, dass niemand dieses berüchtigte Gefängnis lebend verließ.
    Der alte Mann spürte Angstschweiß sein Gesicht hinablaufen. Der Schrecken hatte begonnen, als sie ihn letzte Nacht abgeholt hatten, und er dauerte an, als ihn die schwarze maskierte Gestalt den ganzen Tag über ununterbrochen und erbarmungslos verhörte. Wortlos warf Giacomo einen letzten Blick auf die Stadt, die er liebte und die für ihn nun verloren war. Plötzlich lief ihm ein dünnes Rinnsal am Bein hinab auf den Steinboden. Die Wache hinter ihm stieß einen Fluch aus, zog einen alten Lappen aus dem Kittel und schob ihn mit dem Fuß über den Boden, um den Urin damit aufzuwischen.
    An dieser Stelle verloren die Alten gewöhnlich die Kontrolle über ihre Blase. Ihnen wurde klar, dass ihre Tage gezählt waren. Selbst ein junger Mann konnte sich im Handumdrehen in den feuchten piombi das Lungenfieber holen oder in der Finsternis den Verstand verlieren. Die Alten aber waren unweigerlich verloren. Der Wärter versetzte Giacomo einen Stoß, woraufhin er durch das Kerkertor taumelte. In diesem Augenblick musste er an den Brief denken, den man ihm vorgelesen hatte und dessentwegen er hier war.
    Hoch geschätzter und verehrter Doge, Herzog der Republik Venedig, Seneschall der Drei Inseln und Kaiser von Konstantinopel!
    Auf Geheiß Eurer Hoheit halte ich mich seit einiger Zeit am Hofe Seiner Majestät Ludwigs XIV. von Frankreich auf, wo ich heute eine beunruhigende Entdeckung machen musste, die eines unserer Handelsmonopole betrifft. Gegenstand dieser Entdeckung sind die Spiegel, die Seine Majestät der König von Frankreich    für die Ausstattung des neuen Schlosses hier in Versailles in Auftrag gegeben hat.
    Um die Geduld Eurer Hoheit nicht lange auf die Probe zu stellen, möchte ich mich kurz fassen und meinen Verdacht mitteilen, dass ein Bürger unserer schönen Republik den Franzosen bei der Anfertigung dieser Spiegel behilflich ist. Die Arbeiten sind so kunstfertig ausgeführt, die Spiegelfläche so vollkommen, dass Anlass zu der Befürchtung besteht, dass es sich bei dem Verräter, der im Begriff ist, die Geheimnisse seiner Zunft preiszugeben, um einen unserer Glasbläser von Murano handelt.
    Ich habe den Mann gesehen und halte ihn für einen Venezianer. Er ist dunkelhaarig, von angenehmer Gestalt und jugendlichem Aussehen. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass er unter dem Schutz des Königs steht, wie es einem Meister seines Ranges gebührt.
    Wenn Eure Hoheit es Ihrem untertänigen Diener gestatten, möchte ich dringend empfehlen, unter den Glasbläsern von Murano Nachforschungen darüber anzustellen, ob einer von ihnen vermisst wird oder kürzlich verstorben ist. Was mich selbst betrifft, so werde ich ebenfalls alle denkbaren Schritte unternehmen, um die Identität des betreffenden Mannes aufzudecken und unser Monopol zu wahren.
    Euer untertänigster Diener,
    Baldasar Guilini, venezianischer Gesandter am französischen Hofe.
     

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