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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
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gelben Äpfel. Während der Gemüsehändler sie bedient und dabei in Dialekt, jedoch freundlich redet, beugt sich Wimbow über einen großen schwarzen Topf, der auf einer morschen Holzbank steht. Drei Schritte, und ich bin bei ihr: Ohne dass uns klar ist, was überhaupt geschieht, starren wir auf das Brodeln des kochenden Wassers, die Kartoffeln darin, von denen eine Bläschensäule aufsteigt, die an der Oberfläche zerplatzt. Dann, als ich ihren Körper spüre, zucke ich zurück und stoße ungewollt heftig gegen ihre Schulter, die Einkaufstüte gleitet ihr aus der Hand, ich sehe, wie das Glas am Boden zerspringt, die weiße Flüssigkeit, die schnell aus der Tüte fließt, dann langsamer, das Brot, das durchtränkt wird, Wimbow, die einen kleinen Sprung macht, um ihre Schuhe zu retten, sich umschaut und dann
mir in die Augen sieht, während ich nicht weiß, was ich tun soll, mich über die Holzkiste voller Tomaten beuge, eine nehme und sie mit den Fingern zerquetsche.
    Der Gemüsehändler lässt seine Tüten auf der Waage liegen und kommt auf uns zu. Ich verstecke die von Tomaten blutige Hand in der Tasche, der Gemüsehändler sagt etwas in Dialekt zu uns, ich verstehe ihn nicht, Wimbow nickt, spricht mit den Händen zu ihm, zeigt dabei auf den weißen Fleck auf dem Boden und zeichnet dann eine Form in die Luft; und erneut, wie vorhin in der Bäckerei, geht der Mann weg, kehrt zurück und gibt ihr eine Flasche Milch.
    Verbannt aus der Sprache, nähere ich, der Mythopoetische, mich Wimbow, möchte sie um Verzeihung bitten, aber das ist ein Wort, das es im Alphastumm nicht gibt, also ziehe ich die Hand aus der Tasche und mache eine unbestimmte, verkrüppelte Geste, die Finger beschmiert mit rotem Fruchtfleisch und gelben Körnchen, doch sie gelingt mir nicht, also drehe ich mich um mich selbst und hoffe, dass dieses Eingeständnis von Scham genügen möge. Doch Wimbow nimmt, nachdem sie mich gleichgültig gemustert hat, die Tüte, die der Gemüsehändler ihr hinhält, steckt die Flasche Milch hinein, grüßt und geht weg. Ich bleibe traurig zurück und betrachte das Rot des Mantels, der sich entfernt, das Weiß der Milch, die sich in geometrischen Bächlein zwischen den Fugen der Pflastersteine ausbreitet - während die Worte des Gemüsehändlers um mich herumwirbeln.
     
    Als ich Flug und Strahl von der Beschattung erzähle, sage ich, dass man sich Wimbow nicht nähern kann. Regelmäßige Wege von zu Hause zur Schule, von der Schule nach Hause, immer von irgendjemandem begleitet, nie eine Ausnahme.
    »Du hast sie ja auch beschattet«, sage ich zu Flug, »du weißt, dass es so ist.«
    Flug schweigt. Seit er die meiste Zeit im Keller verbringt, liest und nachdenkt, langsam das Projekt ausarbeitet, während der Genosse Strahl und ich zu einer Erkundung nach der anderen
zwischen draußen und drinnen hin- und herpendeln, ist er unsere Bienenkönigin geworden, die Inkarnation der Ideologie: Strahl und ich die Arbeiterinnen, die emsig das Herz des Bienenstocks mit der Welt verbinden, und umgekehrt.
    Er geht nur nachts aus, immer in einer anderen Verkleidung. Manchmal erzähle ich zu Hause, dass ich bei einem Freund schlafe. Dann schlägt mir der Stein vor, mich hinzubringen und mich abzuholen. Ich versichere ihm, es sei nicht nötig: Alles in Ordnung, ich kann auf mich selber aufpassen. Später begleite ich dann Flug, und er erklärt mir, ohne je eine Anspielung auf Wimbow und ihre Entführung zu machen, die tieferen Gründe des Kampfes, diese wunderbare unvorhersehbare Koexistenz von Politischem und Privatem.
    »Wir sind nur so weit gekommen«, sagt er zu mir, »weil wir gespürt haben, dass Angst und Verlangen nicht zwei entgegengesetzte Erfahrungen sind, sondern untrennbar miteinander vermischt. Die anderen verstehen das nicht, sie machen sich nicht klar, dass es so ist. Sie haben erklärt, einem äußeren sozialen Phänomen gegenüberzustehen, haben es verpackt und in die Ecke gestellt. Wir dagegen wissen, dass der Kampf im Körper, in den Adern jedes Menschen stattfindet.«
    Nach einigen Tagen der Inkubation teilt er uns schließlich mit, dass, wenn es in Wimbows Alltag keine natürlichen Lücken gibt, diese Lücke künstlich geschaffen werden muss.
    »Wir werden sie zwingen, von ihrem Weg abzuweichen, und sie irgendwo hinbringen, wo wir leichter agieren können. Ich habe auch schon überlegt, wie«, sagt er. »Ich muss nur noch etwas daran feilen. Für den Augenblick«, fügt er, an mich gewandt, hinzu, »beschattest

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