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Die Glasfresser

Titel: Die Glasfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Vasta
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Trockenen ist freies Schwimmen; ich mache nicht mit und bleibe am Rand stehen, an der kurzen Seite des Beckens, um das Hin und Her auf den Bahnen zu beobachten. Den Mechanismus, der den Fluss der Körper beherrscht, den Rhythmus, das unterschiedlich schnelle oder langsame Dahingleiten. Ich leite Konstanten ab, entdecke Ausnahmen. Auf einer Bahn finden sich diejenigen, die eine ganze Stunde lang schwimmen, ohne eine Pause zu machen, die Lungen organisch perfekt, eine Kleinindustrie der Atemtechnik, immer saubere Stöße, die das Wasser durchfurchen, ohne dass es spritzt, die Bewegung des Schultergelenks in der Kapsel, die hundertachtzig Grad Wasser klar durchschnitten, das Wiederauftauchen, der Kopf, der sich zur Seite neigt, der Mund, der wieder Luft holt.
    Dann gibt es die Bahn derer, die sich mühsam über Wasser halten, nur irgendwie herumplanschen.
    Im gedämpften Widerhall der Geräusche berechne ich die Regel. Als ich meine, sie verstanden zu haben, suche ich mir die richtige Bahn, die leerste, warte noch ein paar Sekunden und tue dann etwas, das ich mir immer nur vorgestellt habe.

    Das Eintauchen ist sauber, der Eintritt ins Wasser glatt. Ich gehe gleich runter, so weit ich kann, nutze den Schwung aus, streife mit der Brust kurz den Boden des Beckens, wechsle dann, als der erste Impuls sich erschöpft hat, ins Brustschwimmen, langsam, drehe den Kopf, um oben das weite Blau zu sehen, die Formen der Körper. Ich schwimme und versuche überflüssige Bewegungen zu vermeiden, hole den Atem aus dem ganzen Körper, verwandle das Wasser in Stille, Meter der Stille, die man hinter sich zu bringen hat, für die der Atem reichen muss. Als ich, nach drei Viertel der Strecke, spüre, dass ich es nicht mehr schaffe, dass der Druck des Wassers gegen meine Schläfen zu stark ist und ich auftauchen muss, zwinge ich mich zur Ruhe und schwimme langsam weiter, flach, die Augen geschlossen, während sich die Haut auf meiner Brust zusammenzieht und wieder dehnt. In dem Augenblick, da mein Kopf aus dem Wasser stößt und explodiert, zwei Meter vom Beckenrand entfernt, und ich mit Mund Nase Augen wieder Luft bekomme, weiß ich, dass ich dort unten für kurze Zeit Morana, dass ich das kreolische Mädchen gewesen bin, und jetzt, heute, weiß ich auch: Das Erkennen der Regel bedeutet, sie zu verändern.
     
    Ich verbringe noch einen ganzen Tag damit, die Einladungskarte zu schreiben. Ich fasse sie von allen Seiten an und prüfe ihr Gewicht, ziehe mit ihren Rändern über meine Lippen und denke darüber nach, was ich schreiben soll.
    Am Abend, nach verschiedenen Versuchen, entscheide ich mich und schreibe.
    Die elementaren Wörter - »mein Geburtstag«, »würde ich mich freuen« -, der Tag, die Uhrzeit und die Adresse. Das Ausschalten der Emphase zugunsten der exakten Mitteilung. Ich erlaube mir lediglich - und schäme mich dafür - zwei kleine Schnörkel, einen roten und einen schwarzen, in den beiden oberen Ecken der Karte. Dann stecke ich sie in den Umschlag, lasse sie auf dem Tisch liegen, gehe ins Bad, schließe ab, suche hinter dem Heizkörper und ziehe Moranas Foto heraus. Ich betrachte es. Wann immer
ich kann. Ich befrage den Toten. Den Tod. Sehe mir das schiefe, leichenblasse Gesicht an. Und die Augen, die in den Fotoapparat starren, ungewollt dreist, ein Blick, der ein Urteil über den fällt, der ihn fotografiert. Das Gesicht Moranas in meinem Kopf verschlossen, gehe ich schlafen.
    Am nächsten Tag, in der Schule, warte ich bis Unterrichtsschluss und dann noch, bis sich das Gewirr lichtet. Dann gehe ich zu Wimbow.
    Sie steht neben einer hohen Hecke, trägt den roten Mantel und einen bunten Schal, aus dem ihr mestizisches Gesicht hervorschaut, die Gesichtszüge, vor denen ich stehen bleibe. Und die ich erfasse. Einen nach dem anderen. Eine kleine Reise der Pupille in die geschwungenen Mulden, die die Form der Wangen zeichnen, in die zarten, helleren Grübchen unter den Augen, in die doppelte Bahn der stillen Lippen und in diese winzig kleine senkrechte Falte auf der Stirn, so klein, dass sie ein Punkt zu sein scheint, von dem der Zweifel darüber ausgeht, wer ich bin, was ich will, aus welchem Grund ich seit einer Minute vor ihr stehe, ohne etwas zu sagen, ihr Gesicht anstarre, die Kehle angefüllt mit Schweigen.
    Ich hole den Umschlag aus der Tasche und halte ihn ihr hin. Sie nimmt ihn, öffnet ihn, zieht die Karte heraus und liest. Der Punkt auf ihrer Stirn stülpt sich noch weiter ein, bis er in einem ursprünglichen

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