Die Glasglocke (German Edition)
Namen und meiner Herkunft aus Boston in Verbindung gebracht würde.
»Also, Elly, was hältst du davon, wenn wir ein bißchen tanzen?«
Bei der Vorstellung, mit diesem Knirps in seinen hochhackigen orangefarbenen Wildlederschuhen, dem armseligen T-Shirt und der schlaffen blauen Sportjacke zu tanzen, mußte ich lachen. Wenn ich eins nicht leiden kann, dann ist es ein Mann in blauen Klamotten. Schwarz oder Grau, von mir aus auch Braun. Aber Blau finde ich lachhaft.
»Ich bin nicht in Stimmung«, sagte ich kühl, drehte ihm den Rücken zu und rückte mit meinem Sessel näher zu Doreen und Lenny.
Die beiden machten inzwischen den Eindruck, als würden sie sich seit Jahren kennen. Mit einem langen, dünnen Silberlöffel fischte Doreen die Früchte aus ihrem Glas, und jedesmal, wennsie den Löffel an den Mund hob, knurrte Lenny und schnappte danach und tat, als wäre er ein Hund oder sonstwas, und versuchte, die Frucht von dem Löffel zu ergattern. Doreen kicherte und löffelte weiter.
Langsam kam es mir vor, als hätte ich mit dem Wodka endlich meinen Drink gefunden. Er schmeckte nach nichts, fuhr mir aber gleich bis in den Magen hinunter wie ein Schwertschluckerschwert und gab mir das Gefühl, stark und gottähnlich zu sein.
»Ich geh dann mal«, sagte Frankie und stand auf.
Ich konnte ihn bei dem Dämmerlicht nicht sehr deutlich erkennen, aber zum erstenmal hörte ich, was für eine hohe, alberne Stimme er hatte. Niemand beachtete ihn.
»He, Lenny, du schuldest mir noch was. Erinnerst du dich, Lenny, du schuldest mir was, stimmt's, Lenny?«
Ich fand es seltsam, daß Frankie seinen Freund vor uns, vor wildfremden Leuten, an irgendwelche Schulden erinnerte, aber Frankie stand tatsächlich da und sagte immer wieder das gleiche, bis Lenny ein dickes Bündel grüner Scheine aus der Hosentasche zog, einen abpflückte und ihn Frankie gab. Ich glaube, es waren zehn Dollar.
»Halt die Klappe und verschwinde.«
Einen Moment lang glaubte ich, Lenny meinte auch mich, aber dann hörte ich Doreen sagen: »Ich komme nur mit, wenn Elly auch mitkommt.« Es imponierte mir, wie gekonnt sie mit meinem falschen Namen umging.
»Ach, Elly kommt bestimmt mit, nicht wahr, Elly?« sagte Lenny und zwinkerte mir zu.
»Klar komme ich mit«, sagte ich. Frankie war unterdessen in der Nacht verschwunden, also würde ich mich an Doreen hängen. Ich wollte so viel wie möglich sehen.
Ich sah gern Leuten in kritischen Situationen zu. Wenn ich bei einem Verkehrsunfall oder einer Schlägerei zusehen oder mir ein sauer eingelegtes Baby in einem Laborglas ansehen konnte,blieb ich stehen und sah so intensiv hin, daß ich es nie mehr vergaß.
Auf diese Weise lernte ich vieles kennen, wovon ich sonst nie erfahren hätte, und auch wenn es mich überraschte oder wenn mir übel davon wurde, ließ ich mir nie etwas anmerken, sondern tat so, als hätte ich schon immer über alles Bescheid gewußt.
Zwei
Um nichts in der Welt hätte ich mir Lennys Wohnung entgehen lassen wollen.
Sie war eingerichtet wie das Innere einer Ranch, bloß eben in einem New Yorker Apartmenthaus. Er habe ein paar Trennwände heraushauen lassen, um das Ganze geräumiger zu machen, sagte Lenny, und dann habe er die restlichen Wände mit Kiefernholz verkleiden und außerdem eine mit Kiefernholz verkleidete Bar bauen lassen – in Form eines Hufeisens. Ich glaube, der Boden war auch mit Kiefer verkleidet.
Große Eisbärenfelle lagen auf dem Fußboden, und ein paar flache Betten, über die Indianerdecken gebreitet lagen, waren die einzigen Möbel. Statt Bildern hatte er Geweihe und Büffelhörner an den Wänden, außerdem einen ausgestopften Kaninchenkopf. Lenny klappte einen Daumen nach dem armseligen grauen Mäulchen und den steifen Kaninchenohren aus.
»Habe ich in Las Vegas überfahren.«
Er marschierte quer durch den Raum, wobei seine Cowboystiefel auf dem Boden wie Pistolenschüsse knallten. »Akustik«, sagte er und wurde immer kleiner, bis er durch eine Tür in der Ferne verschwand. Plötzlich brach von allen Seiten Musik über uns herein. Sie verstummte wieder, und wir hörten Lennys Stimme: »Und hier Ihr Mitternachtsdiskjockey, Lenny Shepherd, mit einer Tour durch die tops in pops . Auf Platz zehn in der Hitparadedieser Woche finden wir diesmal keine andere als die kleine Blonde, die in letzter Zeit soviel von sich reden machte … die einzige, einmalige Sunflower !«
I was born in Kansas, I was bred in Kansas,
And when I marry I'll be wed in Kansas …
»So ein
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