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Die Glasglocke (German Edition)

Die Glasglocke (German Edition)

Titel: Die Glasglocke (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Plath
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Mönchsgesicht im Türspalt erschien.
    Eine große, vollbusige slawische Dame in einem dicken Pullover aus naturfarbener Schafwolle, dunkelroten Hosen, schwarzen Überschuhen mit hohen Absätzen und Persianerstulpen und mit einer passenden Mütze blies weiße, unhörbare Wörter in die Winterluft. Irwins Stimme wehte durch den kalten Flur zu mir zurück. »Tut mir leid, Olga … ich arbeite, Olga … nein, ich glaube nicht, Olga« – währenddessen kam der rote Mund der Dame nie zur Ruhe, und die Wörter, in weißen Rauch übersetzt, schwebten zwischen den nackten Zweigen des Flieders neben der Tür in die Höhe. Schließlich dann: »Vielleicht, Olga … auf Wiedersehen, Olga.«
    Ich bewunderte die ungeheure, geradezu steppenartige Ausdehnung des in Wolle gekleideten Busens der Dame, während sie, eine Art sibirischer Erbitterung um die leuchtenden Lippen, wenige Zentimeter vor meinen Augen die knarrende Holztreppe hinauf den Rückzug antrat.
    »Sie haben vermutlich jede Menge Affären in Cambridge«, sagte ich fröhlich zu Irwin, während ich in einem der gewollt französischen Restaurants von Cambridge eine Schnecke aufspießte.
    »Mit den Damen«, räumte Irwin bescheiden lächelnd ein, »komme ich anscheinend gut aus.«
    Ich nahm das leere Schneckenhaus und trank den kräutergrünen Saft. Ich hatte keine Ahnung, ob sich das so gehörte, aber nach all den Monaten gesunder, langweiliger Anstaltskost war ich wie versessen auf Butter.
    Ich hatte Mrs. Nolan von dem Münztelefon im Restaurant angerufen und gefragt, ob ich bei Joan in Cambridge übernachten dürfte. Ich wußte natürlich nicht, ob mich Irwin nach dem Essen noch einmal zu sich einladen würde, aber daß er die slawische Dame – die Frau eines anderen Professors – weggeschickt hatte, schien mir vielversprechend.
    Ich kippte den Kopf nach hinten und leerte ein Glas Nuits St. George.
    »Wein schmeckt Ihnen«, stellte Irwin fest.
    »Nur Nuits St. George. Ich stelle ihn mir vor … mit dem Drachen …« Irwin griff nach meiner Hand.
    Ich fand, der erste Mann, mit dem ich schlief, sollte intelligent sein, dann würde ich ihn auch respektieren. Irwin war mit sechsundzwanzig schon ordentlicher Professor und hatte die bleiche, unbehaarte Haut eines jugendlichen Genies. Außerdem brauchte ich jemanden mit Erfahrung, zum Ausgleich für meine Unerfahrenheit, und in dieser Beziehung erfüllten mich Irwins Damen mit Zuversicht. Außerdem wollte ich, um ganz sicherzugehen, jemanden, den ich nicht kannte und mit dem ich auch nichts weiter zu tun haben würde – eine Art unpersönlichen, priesterlichen Würdenträger wie in den Geschichten, in denen es um Stammesriten ging.
    Gegen Ende des Abends hatte ich, was Irwin anging, keinerlei Zweifel mehr.
    Seit ich herausgefunden hatte, wie mich Buddy Willard hintergangen hatte, hing mir meine Jungfräulichkeit wie ein Mühlstein am Hals. Sie war mir so lange so ungeheuer wichtig gewesen, daß ich es mir zur Gewohnheit gemacht hatte, sie um jeden Preis zu verteidigen. Fünf Jahre lang hatte ich sie verteidigt, aber jetzt war ich es leid.
    Erst als wir wieder bei ihm waren und Irwin mich, beschwipst und schlaff, wie ich war, auf seinen Armen in das stockfinstere Schlafzimmer trug, murmelte ich: »Hör mal, Irwin, ich sollte es dir vielleicht sagen, ich bin Jungfrau.«
    Irwin lachte und warf mich auf das Bett.
    Ein paar Minuten später offenbarte ein erstaunter Ausruf, daß Irwin mir nicht wirklich geglaubt hatte. Wie gut, dachte ich, daß ich schon im Laufe des Tages mit der Geburtenkontrolle angefangen hatte, denn in meiner Weinseligkeit an diesem Abend hätte ich mir die Mühe mit den diffizilen Handgriffen, die dazu erforderlich waren, wohl nicht mehr gemacht. Verzückt und nackt lag ich auf Irwins rauher Decke und wartete darauf, daß sich die wunderbare Veränderung bemerkbar machte.
    Aber ich spürte nur einen stechenden, beunruhigend heftigen Schmerz.
    »Es tut weh«, sagte ich. »Soll es wehtun?«
    Irwin sagte nichts. Dann sagte er: »Manchmal tut es weh.«
    Wenig später stand Irwin auf und ging ins Bad, und ich hörte das Rauschen von Duschwasser. Ich war mir nicht sicher, ob Irwin getan hatte, was er tun wollte, oder ob meine Jungfräulichkeit ihn irgendwie daran gehindert hatte. Ich wollte ihn fragen, ob ich noch eine Jungfrau sei, aber ich war zu sehr durcheinander. Eine warme Flüssigkeit sickerte zwischen meinen Beinen hervor. Zögernd griff ich nach unten und tastete danach.
    Als ich die Hand in das Licht

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