Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
Vom Netzwerk:
lächelte. »Hole ihm bitte etwas Warmes. Heute Mittag hat man den Soldaten Bohnensuppe ausgeschenkt, der Geruch liegt noch in der Luft. Wenn etwas übrig ist, soll man dir eine Schale davon mitgeben. Falls der Hauptmann Schwierigkeiten macht, sagst du ihm, es wäre mein ausdrücklicher Befehl.«
    Sandro betrat den Raum. Der junge Bursche saß auf dem Stuhl, auf dem vor zwei Tagen Bruno Bolco gesessen hatte. Er wandte sich zu Sandro um: ein Gesicht mit zwei sehr großen, traurigen Augen, denen heute zusätzlich der Ausdruck von Angst beigemischt war. Um seine Schultern war eine Decke gelegt, die Aaron ihm gegeben hatte, und darunter war seine schmutzige, halb zerrissene Kleidung zu erkennen. Die stumpfen, braunen Haare hatten die Länge eines Fingernagels.
    »Seid Ihr …?« Er wollte aufstehen.
    »Bleib sitzen, Fabrizio. Ich bin Bruder Carissimi. Geht es dir gut?«
    Er sagte ja, aber es klang wie nein. Er war sehr schlank, geradezu mager, und für sein Alter schon recht groß. Er zitterte.
    »Du hast Mut und Intelligenz bewiesen, als du gekommen bist, Fabrizio.«
    »Ich hatte Angst, dass mich jemand beim Verlassen des Quartiers gesehen hat. Da war ein Nachtwächter, dem ich fast in die Arme gelaufen bin … Darum bin ich gekommen. Weil ich nicht will, dass man am Ende noch glaubt, ich hätte … hätte …«
    Sandro legte ihm noch einmal die Hand auf die Schulter, dann setzte er sich, allerdings nicht auf die andere Seite des Tisches, sondern neben Fabrizio.
    »Du hast den Abend mit Gaspar de Cespedes verbracht, in seinem Bett.«
    Fabrizio staunte über Sandros Direktheit. »Ja, aber … aber Ihr müsst mir glauben, dass es das erste Mal war, das erste Mal überhaupt, dass ich so etwas … Ich meine, eigentlich bin ich nicht … mache ich nicht … Da gibt es ein Mädchen, Flora, sie dient bei einer Herrschaft, mit Flora würde ich gerne … Es war ja nur wegen …«
    »Also hat er dich angesprochen?«
    »Ja.«
    »Er hat dir Geld gegeben.«
    »So viel verdiene ich in einem halben Jahr. Und dieselbe Summe versprach er mir für … danach. Ein ganzer Jahreslohn! Da hätte ich es mir leisten können, aus Trient fortzugehen und woanders etwas Besseres zu finden.«
    »Du und er seid also in sein Quartier gegangen, wo du ein Bad genommen hast.«
    »Er fand, ich sei schmutzig.«
    Dem Badewasser nach zu urteilen war Fabrizio wohl auch schmutzig gewesen, und jemand wie Cespedes, der wie eine Wasserlilie duftete, hätte mit einem schmutzigen, übelriechenden Jungen keine Freude gehabt.
    »Danach seid ihr ins Bett?«, fragte Sandro.
    Wieder wunderte Fabrizio sich über Sandros direkte Art, Fragen zu stellen, die absichtlich frei waren von Wertung oder Vorwurf, und zur Folge hatte, dass Fabrizio ein wenig sicherer wurde.
    »Er war gut zu mir. Er hat mir zuerst einen Apfel gegeben und – und zugesehen, wie ich ihn esse. Er hat mich beobachtet. Na ja, dachte ich, wenn es ihm Spaß macht.«
    »Hat er etwas gesagt?«
    »Nur, dass er dort, wo er herkomme, nicht wagen könne, das zu tun, was er mit mir vorhabe. Und dass er alles abstreiten würde, falls ich je … Das hätte ich sowieso nicht getan, und das sagte ich ihm auch. Danach hat er mir Wein gegeben, in einem Kristallglas, so etwas hatte ich noch nie in der Hand. Zweimal hat er nachgeschenkt, mir und sich selbst. Und danach sind wir dann …«
    »Ins Bett gegangen.«
    »Ja.«
    »Du darfst jetzt gerne eine Weile überspringen, wenn dir das lieber ist.«
    »Das wäre mir tatsächlich lieber.«
    »Machen wir da weiter, wo etwas, was mit dem Mord zu tun hat, passierte.«
    »Er ist aufgestanden und hat den Raum verlassen. Er wollte pinkeln. Ich habe das Geräusch gehört. Und dann noch etwas anderes: Schritte. Nicht seine Schritte, sondern die von Stiefeln.«
    »Weiter.«
    »Ich bin aufgestanden, habe mir ein Bettuch um die Hüften gewickelt und bin auf Zehenspitzen zur Tür geschlichen. Da stand jemand, nur eine Armeslänge entfernt, in einem Mantel mit Kapuze.«
    »Schwarz?«
    »Schwarz.«
    Sandro fiel sofort die Gestalt ein, die hinter Innocento hergelaufen war und die er bis zur Etsch verfolgt hatte.
    »Wie groß etwa?«
    »Schwer zu sagen. Die Kapuze und die Stiefel haben die Gestalt größer gemacht, aber ich weiß nicht wie viel größer.«
    »Das Gesicht hast du nicht gesehen?«
    »Nein, die Gestalt stand mit dem Rücken zu mir und ging in die Richtung, aus der das Pinkelgeräusch kam. Ach ja, und es ragte ein silbernes Stilett aus dem Ärmel. Offen gestanden habe ich

Weitere Kostenlose Bücher