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Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin

Titel: Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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das Böse.«
    Sandro atmete tief durch und schüttelte den Kopf. »Lass uns für einen Moment unseren Streit vergessen und ganz sachlich reden. Ich höre auf, dich zu beschuldigen, und du hörst auf, mich wie einen dummen Jungen zu behandeln. Einverstanden?«
    Luis nickte, und sie gingen ein paar Schritte in das Dunkel des Ganges, wohin die Fackel nur noch mit der Helligkeit von Mondlicht leuchtete.
    »Du klingst unglaubwürdig, Luis, und das habe ich bei dir noch nie erlebt. Wann hast du je dunkle Mächte, Dämonen, Hexen, Zauberer oder dergleichen bemüht, um jemanden von etwas zu überzeugen? Nie! Du hast in deinen Disputen manches Mal geblufft oder falsche Fährten gelegt, ganz selten auch gemogelt, aber du hast nie – niemals! – auf den Teufel zurückgegriffen, denn du warst immer der Meinung, der Teufel sei als Erklärung nicht gut genug. Ihn jetzt aus einer staubigen Kiste hervorzuholen, ist deiner nicht würdig, Luis.«
    Luis schlug die Augen nieder, eine Reaktion, die Sandro nicht von ihm kannte. Vielleicht war es ihm gelungen, den richtigen Ton zu treffen, vielleicht war er zu ihm durchgedrungen.
    »Du verstehst das nicht«, sagte Luis. »Du verstehst gar nichts .«
    »Das ist wahr. Erkläre es mir. Sieh hin, ich bin es, Sandro, dein Assistent, dein Mitbruder, der dich immer vor bösen Zungen verteidigt hat, dein Freund …«
    Einen Augenblick lang hatte Sandro das Gefühl, dass Luis kurz davor war, ihm ein Geheimnis anzuvertrauen. Luis forschte in seinen Augen, öffnete den Mund, wollte etwas sagen, doch im letzten Moment besann er sich anders.
    »Es gibt nichts zu erklären. Die Hure ist schuldig der Zauberei und Hexerei und teuflischer Morde. Ein anderes Ergebnis werde ich nicht akzeptieren.«
    Sandro merkte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss. »Du glaubst gar nicht an ihre Schuld, habe ich recht? Sie ist keine Mörderin, sondern ein Sündenbock. Was für ein Irrsinn!«
    »Weißt du, was Irrsinn ist: deine Einstellung! Merkst du nicht, dass du geradewegs in dein Verderben rennst? Der Papst ist auf dem Weg nach Trient. Wir brauchen einen Erfolg, und zwar dringend.«
    »Abgesehen davon, dass du dich gegen besseres Wissen an der Wahrheit versündigst: Hast du dir überlegt, was passiert, wenn ein dritter Mord geschieht?«
    »Selbstverständlich! Das Böse steht nicht still, es greift um sich, es ist wie die Pest, die man jagen und ausräuchern muss. Zögerliches Verhalten begünstigt dagegen das Böse. Sei kein Esel, Sandro. Überlasse die Untersuchung einfach mir, und du wirst sehen, dass alles gut wird. Wir teilen uns den Ruhm.«
    »Ruhm?«, rief Sandro. Er ging ein paar Schritte im Kreis. Wäre er sich nicht absolut sicher gewesen, bei Verstand zu sein, hätte er sich gezwickt, um aufzuwachen. Jahrelang hatte er mit einem Menschen gearbeitet, ihn unterstützt, schlimmer noch, ihn bewundert, zu ihm aufgesehen, der sich jetzt als Un mensch herausstellte, als Moloch, der bereit war, jeden zu verschlingen. » Du« , flüsterte Sandro, » du bist hier der Besessene, nicht Carlotta da Rimini. Du bist besessen vom Erfolg, von deinem Ruf, deinem verdammten Ruhm.« Er wandte sich in Richtung der Tür, wo noch immer Forli stand.
    »Was hast du vor?«, rief Luis.
    »Ich werde dich aufhalten.«
    Luis holte ihn mit ein paar Sätzen ein und stellte sich ihm in den Weg.
    Sandros schob sich an Luis vorbei und wandte sich an Forli. »Ich befehle Euch, Hauptmann, das Verhör sofort abzubrechen und Carlotta da Rimini freizulassen.«
    »Befehl widerrufen«, sagte Luis. »Das Verhör wird von mir fortgesetzt, Hauptmann.«
    Forli amüsierte sich. »Wenn die Herren Visitatoren sich bitte einigen würden.«
    Sandro und Luis redeten gleichzeitig auf Forli ein, der das Gesicht auf eine Weise verzog, die klarmachte, was er von zwei keifenden Mönchen hielt, halben Portionen in Kutten. Ihre Befehle widersprachen sich, hoben sich gegenseitig auf, und Sandro wurde klar, dass es nur einen Weg gab, diesen Zustand zu beenden.
    Urplötzlich holte er aus und versetzte Luis einen Kinnhaken, der zuerst ein knackendes Geräusch und dann einen dumpfen Aufprall nach sich zog. Luis lag der Länge nach auf dem Boden und gab keinen Laut mehr von sich.
    Sandro wandte sich wieder an den Hauptmann. Er spürte jeden seiner Muskeln, spürte sein Blut wie damals, als er in einer römischen Gasse mit dem Messer in der Hand auf Matthias wartete. Er hatte seine ganze Wut in diesen Schlag gelegt, aber noch war genug davon übrig, um sich furchtlos vor

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