Die Glasmalerin - Walz, E: Glasmalerin
beraten. Doch wie viel Reform vertrug die Kirche des Papstes? Luis, der als einer der Hauptredner des Konzils auftreten würde, hatte, bevor sie aus Rom gen Trient aufgebrochen waren, zu Sandro gesagt, die Aufgabe bestünde diesmal darin, gerade so viele Zugeständnisse zu machen, um die Protestanten zu gewinnen, aber nicht so viele, um die konservativen Kräfte innerhalb der Kurie zu verschrecken. Es gab zwar eine mächtige Reformpartei innerhalb der Kirche, doch eine ebenso mächtige Gegenpartei. Zwischen diesen allen – den Protestanten, den katholischen Reformern und den Konservativen – stand Luis, vom Papst beauftragt, ein diplomatisches Meisterstück zu vollbringen. Sollte ihm das gelingen, würde er ein solch großes Ansehen erlangen, dass der greise Ignatius von Loyola ihn zu seinem Nachfolger als pater general, als Ordensoberen mit Sitz in Rom, empfehlen würde. Und Sandro hatte vorgehabt, wie immer sein Bestes für ihn zu geben.
Nun saß er stattdessen auf dem Bett eines toten Bischofs und sollte einen Mord aufklären.
Er seufzte, als Luis zu ihm kam.
»So«, sagte Luis, »ich war mit diesem Diener in seiner Stube und habe sie mir genauer angesehen. Wenn er etwas gestohlen hat, dann hat er es woanders versteckt. Was machst du da?«
»Ich habe nachgesehen, ob ich Spuren einer weiteren Person finde.«
»In Bertanis Bett? Du denkst an eine Konkubine? Nicht bei Bertani, nein, so war er nicht.«
»Ich dachte, du kanntest ihn nur aus seinen Reden.«
Luis schwieg einen Augenblick. »So ist es auch. Und daher kann ich ihn als Spartaner einschätzen, anspruchslos und ohne Fantasie. Glaub mir, er lebte nur für seine heißgeliebte Kirchenreform und prangerte in jeder einzelnen Rede jede einzelne Sünde an. Jemand, der so aggressiv eine Idee propagiert, der glaubt auch daran.«
»Tatsächlich?«
»Absolut.«
»Dann ist es dir nicht aufgefallen?«
»Was?«
»In seiner Rede. Du hast sie doch gelesen?«
»Ja. Ja, ich habe sie gelesen«, sagte Luis und legte eine Spur von Unmut in seine Stimme. »Worauf willst du hinaus?«
Sandro war es peinlich, darauf zu antworten. »Der Bischof von Verona«, begann er leise und vorsichtig, als taste er sich an den Griff eines heißen Kessels heran, »war sicherlich ein überzeugter Reformer gewesen und hat vieles gebrandmarkt. Auch in dieser letzten Rede.«
»Genau das habe ich doch eben gesagt.«
»Jedoch – den fehlenden sittlichen Anstand der Prälaten hat er mit keinem Wort erwähnt. Verstehst du? Er geißelt zahlreiche Missstände, nur dieser eine, gravierende Missstand – der nun wirklich nicht zu leugnen ist – wird von ihm ausgelassen. Der Bruch des Zölibats wurde von ihm nicht beklagt, nirgendwo in dieser Rede, nicht in einem Satz, nicht einmal in einer Andeutung.«
Sie tauschten einen langen Blick, in dessen Verlauf Luis’ Augen nach anfänglichem Erstaunen sehr schnell ausdruckslos wurden.
»Wo ist die Rede?«
»Ich habe sie in Verwahrung genommen«, sagte Sandro und legte die Hand auf sein Herz. »Sie ist ein Beweisstück oder besser gesagt, ein wichtiger Anhaltspunkt.«
»Du übertreibst ein wenig, meinst du nicht? Nur weil Bertani den sittlichen Anstand nicht erwähnt hat, ist sie kein wichtiger Anhaltspunkt.« Luis streckte ihm die Hand hin.
»Falls der Mörder verhindern wollte, dass der Inhalt je verlesen wird, so ist ihm das gelungen.«
»Gewiss wird einer der anderen Reformer mehrere Aspekte der Rede auf dem Konzil zur Sprache bringen. Deswegen hätte ich sie gerne, um eine Erwiderung parat zu haben.«
Sandro zögerte. »Luis, findest du es angebracht, diese Morduntersuchung zu nutzen, um – um einen Vorteil für deine Auftritte vor dem Konzil zu bekommen?«
Die Antwort bestand aus einer noch weiter ausgestreckten Hand. Schließlich holte Sandro die Rede hervor und ließ zu, dass Luis sie ihm aus der Hand nahm.
»Danke sehr«, sagte Luis. »Ich verstehe wirklich nicht, wieso du dich auf einmal so anstellst.«
Erneut tauschten sie einen längeren Blick, und Sandro erinnerte sich der Worte des Dieners: Ich dachte, Ihr führt die Untersuchung, Bruder Visitator.
»Und jetzt«, sagte Luis, »sprechen wir mit dem Arzt.«
Antonia war zu beschäftigt mit ihrer Arbeit, um Matthias zu bemerken, der in der Tür des Ateliers stand.
Sie hatte die ersten vier Entwürfe gezeichnet, auf Fenstergröße vergrößert und an Brettern aufgehängt, um sich ein Bild von ihrer Raumwirkung zu machen. Auftragsgemäß handelte es sich um Szenen von
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