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Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel

Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel

Titel: Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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mir auszusetzen“, entgegnete Karlchen Kubatz wieder ganz beruhigt. „Und da nur noch dieser Stuhl da drüben frei ist, vermute ich, daß er auf meine Wenigkeit wartet.“
    „Genauso ist es“, meinte Herr Purzer.
    Kurz darauf saß die 9 B hinter den neuen Tischen und auf den neuen Stühlen in der gewohnten Platzordnung vor ihrem Klassenlehrer.
    „Na, wie fühlt ihr euch?“ wollte der Studienrat wissen.
    „Vorerst noch wie auf Besuch in einer fremden Wohnung“, meinte Emil Langhans als Klassensprecher. „Aber der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier.“
    „Jedenfalls sind die guten, alten Schulbänke aus der Mode gekommen“, bemerkte der Studienrat. „Stühle und Tische sollen dem Schüler mehr das Gefühl der persönlichen Freiheit geben, und diese Reform läßt sich der Steuerzahler eine ganze Menge kosten... “ Er unterbrach sich und blickte fragend in die Gesichter der Klasse. „Wer kann mir dazu etwas sagen, zu dem Begriff Reform, meine ich? Einen anderen Ausdruck dafür?“
    „Neugestaltung“, antwortete der Junge mit den Sommersprossen sofort.
    „Umbildung“, meinte Sputnik.
    „Verbesserung“, fügte Manuel Kohl hinzu. „Ausgezeichnet, das reicht“, lobte Herr Purzer. Er konnte es einfach nicht lassen, bei jeder x-beliebigen Gelegenheit seine Fragen abzuschießen. Inzwischen war er vom Fenster vor die neue Wandtafel spaziert und setzte sich jetzt zum erstenmal hinter den Lehrertisch. Dabei legte er seine Bücher aus der Hand, stützte die Arme auf die Ellenbogen und schmunzelte wieder einmal. „Wie ihr feststellen könnt, befinden sich ab heute in diesem Klassenzimmer die Lehrer mit den Schülern auf derselben Ebene.“
    „Wie im modernen Gerichtssaal“, bemerkte Emil Langhans trocken. „Auch da hat man die Podeste entfernt.“
    „Damit der Angeklagte nicht mehr zu den Staatsanwälten und Richtern hinaufblicken muß“, fügte der hellblonde Hans Pigge hinzu.
    „Und umgekehrt“, schaltete sich Karlchen Kubatz ein, „sollen die Richter und Staatsanwälte nicht mehr so wie der liebe Gott vom Himmel auf den Angeklagten hinunterblicken.“
    Die ganze Klasse feixte, und einige trampelten mit ihren Schuhen auf den blanken Linoleumfußboden.
    „Das ist keine Reform mehr“, meinte Studienrat Purzer und lächelte dabei ebenfalls, „das ist schon eine regelrechte Revolution, und ich weiß nicht...“ Er unterbrach sich wieder, hob den Kopf und fragte: „Französische Revolution?“
    „Sturm auf die Bastille, vierzehnter Juli“, antwortete ein Junge in einer ausgebleichten Jeansjacke und mit lebhaften, lustigen Augen. Er war im letzten Jahr sitzengeblieben, und als sich die frühere 8 B nach den letzten Sommerferien zur 9 B gemausert hatte, neu in die Klasse gekommen.
    „Das ist Rainer Bertelsmann“, hatte ihn Studienrat Purzer am Anfang des neuen Schuljahres vorgestellt, „er wiederholt die Neunte, weil sie ihm so gut gefallen hat.“
    „Vierzehnter Juli stimmt“, bestätigte Herr Purzer. „Aber mich würde auch das Jahr interessieren?“
    „Weiß ich nicht“, gab der Junge mit der ausgebleichten Jeansjacke zu.
    „Eigenartig“, überlegte Herr Purzer, „wieso weißt du nur den Tag und nicht das Jahr?“
    „Weil der vierzehnte Juli mein Geburtstag ist“, erwiderte der Schüler, der sich in der neunten Klasse angeblich besonders wohl fühlte.
    „Verstehe“, meinte der Lehrer, „und mit deinem Geburtsjahr kannst du bezüglich der Französischen Revolution leider nicht dienen. Wer kann ihm behilflich sein !
    „Siebzehnhundertneunundachtzig“, sagte Emil Langhans beinahe gelangweilt und ohne aufzublicken.
    Im selben Ton fügte er noch hinzu: „Die Parole der Revolution hieß Liberté , Egalité und Fraternité .“ Karlchen Kubatz sprang auf und erklärte fast feierlich: „Was soviel heißt wie Freiheit, Gleichheit...“ Er hatte die beiden Worte genußvoll betont und erlaubte sich jetzt eine wirkungsvolle rhetorische Fermate. Danach fuhr er fort: „und Brüderlichkeit.“ Er schwieg von neuem und richtete seinen Blick direkt auf den Studienrat. Schließlich fragte er treuherzig: „Bleibt es übrigens dabei, daß wir nach der großen Pause eine Klassenarbeit schreiben?“
    „Man kann in wahrer Freiheit leben “, zitierte Herr Purzer, ohne zu überlegen, „und doch nicht ungebunden sein.“ Er hob wieder einmal den Kopf, und dabei blitzte irgendein Licht kurz über seine Brillengläser. „Von wem?“
    „Wenn ich eine Vermutung aussprechen darf?“ fragte

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