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Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel

Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel

Titel: Die Glorreichen Sieben 05 - und Der doppelte Schluessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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Freunde warten würde. Wenn Manuel nur wenigstens eine Vier baut, hing er weiter seinen Gedanken nach. Oder eine Drei, was natürlich noch besser wäre. Er starrte wieder zu den Fenstern im zweiten Stock hinauf. Um die übrigen brauchte er sich keinen Kummer zu machen. Am wenigsten um Emil Langhans, der mit Abstand der Klassenbeste war. Und dabei überhaupt kein Streber, dachte Paul Nachtigall, bloß einfach einer, der alles kann und gar nichts dafür kann, daß er alles kann. Karlchen Kubatz und die anderen Kumpel pendelten beständig im vorderen Mittelfeld herum, fielen auch mal zurück, legten dann aber einen Zwischenspurt ein und hatten die Nase wieder im ersten Drittel. Jedenfalls war ihre Versetzung nie fragwürdig. Da sah es bei Manuel Kohl seit dem blauen Brief leider anders aus. Wenn er klebenbliebe, war eine Katastrophe fällig. Der Boß der Glorreichen Sieben bekam eine steile Falte über der Nase, wenn er sich das vorstellte. Es würde den Jungen, der so feinnervig und empfindsam war, umhauen, als hätte ihn ein Volltreffer direkt in der Magengrube erwischt.
    Studienrat Dr. Purzer war schon gleich, nachdem er die zu lösenden Aufgaben und Fragen diktiert und teilweise an die neue Wandtafel geschrieben hatte, hinter den in ganzer Größe auseinandergefalteten Bad Rittershuder Nachrichten verschwunden.
    In der Klasse herrschte Totenstille.
    Die Aufgaben hatten es aber auch in sich. Da war den Herren der 9 B im ersten Augenblick vor Schreck beinahe der Wecker stehengeblieben.
    „In welchem Verhältnis muß man 36prozentigen und 69prozentigen Alkohol mischen, um 45prozentigen Alkohol zu bekommen?“
    „Da fällt man ja glatt aus dem Kinderwagen“, hatte Karlchen Kubatz durch die Zähne genuschelt.
    „Und zweitens, wieviel muß man von der jeweiligen Sorte wählen, um 715 Liter von 45prozentiger Konzentration zu erhalten?“
    Es war zum Auf-die-Bäume-Klettern.
    Die Klasse rechnete und schrieb jetzt schon länger als eine volle Stunde. Jeder wollte irgendwie zeigen, daß er mit den Aufgaben etwas anzufangen wisse. Es war nicht gut, sichtbar und lange nachzugrübeln. Purzer hätte es bestimmt bemerkt und daraus die Schlußfolgerung gezogen, daß man Hilfe nötig hat. Trotzdem reckte hin und wieder einer der Schüler vorsichtig den Kopf und versuchte, über den Rücken des Vordermanns oder in das Heft seines Nachbarn zu schielen.
    Aber dann ließ sich augenblicklich hinter den Bad Rittershuder Nachrichten die mahnende Stimme des Studienrats vernehmen. „Laßt doch diese lächerlichen Versuche, mich zu beschwindeln. Ich merke alles und möchte nicht gestört werden.“ Er blätterte seine Zeitung um, ohne einen Blick auf die Klasse zu werfen. „Wer abschreibt, bekommt im übrigen automatisch einen Sechser.“
    Manuel Kohl hatte von der ersten Minute an versucht, sich mit den Aufgaben herumzuschlagen und auf eigene Faust eine Lösung fertigzubringen. Aber keine der beiden Fragen hatte etwas mit jenen Gebieten zu tun, in denen er halbwegs Bescheid wußte. Er hatte Gleichungen entworfen und wieder durchgestrichen. Überall tauchte immer wieder x auf, und x kann so viel bedeuten: x ist ja nicht bloß ein Buchstabe und auch nicht nur ein mathematisches Zeichen — x mit einem kleiner Einser unten ist beispielsweise die Koordinate eines...
    Als es Manuel Kohl dann endgültig klargeworden war, daß er mit den zwei gestellten Aufgaben überhaupt nichts anzufangen wußte, beobachtete er eine ganze Weile lang die übrige Klasse. Sie schrieb eifrig, warf Zahlenreihen aufs Papier und machte einen unheimlich beschäftigten Eindruck. Nur das Geräusch ihrer Kugelschreiber war zu hören, manchmal das Scharren eines Stuhls oder das Umblättern einer Heftseite. Manuel Kohl ließ seinen Blick von der Klasse über die Sonnenflecke auf der schwarzen Tafel nach draußen wandern. Der Kastanienbaum war gerade dabei, die ersten Blüten zwischen seine Blätter zu zaubern. Spatzen tschilpten, eine Taube landete auf dem Fensterbrett, blickte kurz durch die Glasscheibe und flatterte wieder davon.
    „Was machst du denn, Manuel?“ fragte Purzer hinter seiner Zeitung hervor.
    „Ich hab’ einen Augenblick hinausgeschaut“, sagte der Junge mit den großen blauen Augen. „Entschuldigen Sie, Herr Studienrat.“
    „Darf man fragen, was deine Aufmerksamkeit mehr in Anspruch nimmt als unsere Klassenarbeit?“
    „Die Wolke dort.“
    Es war ein kleiner weißer Wattebausch, der ganz allein am blaßblauen Himmel schwebte.
    „Du schenkst

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