Die Glücksbäckerei – Das magische Rezeptbuch
Kommen, Koriander.«
Rose hörte Basils Stimme durch Tymos Kopfhörer brummen. »Koriander an Lorbeer, ich bin da. Over.«
Rose verdrehte die Augen. »Eure Codenamen sind einfach zwei andere Küchenkräuter?«
»Ja!«, rief er aufgeregt. »Lorbeer an Koriander, Lorbeer an Koriander, Rosmarin eingetroffen. Meldung an Zentrale, sind dienstbereit, Koriander.«
»Warum bekomme ich keinen vernünftigen Codenamen?«, fragte Rose.
»Weil du schon einen hast. Rosmarin ist doch ein Küchenkraut.«
»Und was ist mit Tymo? Ist Thymian etwa kein Küchenkraut?«, spöttelte Rose.
Basil kam in seinen langen Kniestrümpfen aus dem Vorderzimmer durch die Schwingtür auf die Terrakottafliesen der Küche geschlittert. Er trug seine Schlafanzughose, eine schwarze Anzugjacke und eine schwarze Sonnenbrille. Rose fand, dass ihre Brüder aussahen, als hätten sie sich für eine Übernachtungsparty als Spione verkleidet, und sie kicherte, als ihr Tymo ein grünes Headset reichte. Basil sah sich übertrieben theatralisch um und kam in die Nische geschlichen.
»So sieht unser Plan aus«, begann Tymo. Er wurde kurz von seinem Spiegelbild im Küchenfenster abgelenkt und strich sich das Haar zurecht. Dann fuhr er fort: »Wir gehen hinein, wir schreiben ein paar Rezepte ab, wir gehen wieder raus. Einfach, sauber, ohne Pannen. Ich lese laut vor, Rose schreibt, was ich vorlese, weil sie ’ne schöne Handschrift hat …«
»Was mach ich?«, fragte Basil.
Rose und Tymo sahen sich an. »Du guckst mir über die Schulter und passt auf, dass ich alles richtig ausspreche«, schlug Tymo vor. Basil nickte, glücklich, mit so einer wichtigen Aufgabe betraut zu werden.
Rose öffnete die Tür des Kühlraums und die drei Spione schlichen durch den dunklen Gang. Rose konnte sehen, wie ihr Atem in der kalten Luft kleine Wölkchen bildete. Doch dann blitzte die Glühbirne über ihnen auf, ging im nächsten Moment aus und ließ sie in der Dunkelheit zurück, so dass sie Eier nicht mehr von Käse oder eine Wand von der anderen unterscheiden konnten.
»Das ist vielleicht unheimlich«, sagte Basil.
Rose tastete nach dem Rand des kratzigen, grünen Wandteppichs am Ende des Ganges und zog ihn zurück, dann ließ sie die Hand über die raue kleine Tür aus Holz und Eisen gleiten, bis sie das Schlüsselloch spürte. Mit einem etwas unbehaglichen Gefühl drehte sie den filigranen, quirlartigen Schlüssel herum und schloss die Bibliothek auf.
Polly hatte ihr die Rezepte in dem alten Backbuch der Familie Glyck nie wirklich gezeigt, aber jetzt hatte Rose das Gefühl, dass sie ein Anrecht darauf hatte, die alten Geheimnisse ihres Familienerbes kennenzulernen, nach all den Besorgungen, die sie gemacht hatte, und dem häufigen Aufpassen auf ihre kleinen Geschwister.
»Wir müssen welche aussuchen, die aufregend sind und auch richtig was bewegen«, sagte Basil und fuhr mit dem Finger über den Ledereinband, der mit einem komplizierten Filigranmuster geprägt war, so dass er wie eine alte Kathedralentür aussah.
Tymo scheuchte Basil von dem Buch weg und schlug es selbst auf.
Rose spähte ihm über die Schulter. »Warte!«, sagte sie. »Da ist das für die Mohnmuffins, die Mom kürzlich gemacht hat. Lies das mal vor.«
Auf einer Seite des aufgeschlagenen Buches war eine düstere holzgetäfelte Küche abgebildet. Eine ältliche Frau mit Haube und Schürze zog ein Blech mit Muffins aus einem Ofen, während ein Mann mit einem breitkrempigen Hut und einem verzierten Pelzmantel weinte und mit den Fäusten auf den Boden trommelte.
Auf der Seite gegenüber stand das Rezept.
Aber es war nicht wie ein normales Rezept aufgeschrieben, mit einer Liste der Zutaten und einer Schritt-für-Schritt-Anleitung – es las sich eher wie eine Geschichte.
Tymo trug die Einleitung laut vor:
Küchlein von rotem Klatschmohn, um verlorene Dinge wiederzufinden
Es war 1581 auf der schottischen Insel Froth, als Lady Gresnil Glyck in einer rothen Schürze den vergesslichen Lord Fallon O’Lechnod dazu brachte, sich wieder zu erinnern, wo er seine wertvolle Pelerine gelassen hatte. Lord Fallon sagte: »Sie war mit Rubinen besetzt und mit Hermelin gefüttert! Seit mindestens zwei Wochen verschwunden. Bestimmt geraubt von meinen Feinden.« Lady Glyck buk ihm diese Küchlein, und Lord Fallon erinnerte sich, dass er die Pelerine zwei Wochen zuvor über einen Stuhl im Speisezimmer bei Priester Pierrod gelegt und ohne sie das Haus verlassen hatte.
»Was ist denn das alles für ein Quatsch?«,
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