Die Glücksbäckerei – Die magische Prüfung (German Edition)
über der Empore hingen und schwang sich über die Brüstung. Der Scheinwerfer verfolgte ihn, während er sich abstieß und mittels eines Seilzuges schwungvoll von der Empore durch den ganzen Saal bis auf die Bühne glitt. Er landete in einem wirren Haufen von rotem Samt, kam schnaufend und keuchend auf die Beine, ging auf das Podium zu und hielt dabei die Arme hoch, als sei er der Papst.
Roses Magen flatterte. Natürlich hatte sie schon über Jean-Pierre Jeanpierre gelesen. In gewisser Hinsicht war er in der Tat der Papst der Bäcker. Aus ihrer Lektüre wusste sie, dass er sechs Würfel Zucker in seinen Morgenkaffee tat, dass er seine Heimatstadt St. Aubergine in St. Jeanpierre hatte umbenennen lassen, und dass er ausschließlich auf Kissen aus Biskuit schlief, jeden Abend extra für ihn frisch gebacken.
Jedes Mal wenn Rose fand, dass sie zu besessen war von der Backerei, rief sie sich Jean-Pierre Jeanpierre ins Gedächtnis.
Jean-Pierres Augen glitzerten hinter seinen Brillengläsern durch den Saal. Er klopfte ans Mikrophon, dann sagte er: »Bienvenue à la Gala des Gâteaux Grands.«
Stürmischer Applaus brach im Saal aus, und alle sprangen auf und jubelten.
»Bitte!«, rief Jean-Pierre. »Setzen Sie sich! Zwanzig der besten kulinarischen Wettstreiter – mit ihren Assistenten – sind hier im Saal versammelt«, sagte Jean-Pierre. »Natürlich kann keiner von ihnen mir das Wasser reichen, aber aus diesem Grunde nehme ich auch nicht an der Meisterschaft teil.«
Während Jean-Pierre so weiter prahlte, sah Rose sich im Saal um. An einem Tisch saß ein schmächtiger bebrillter Mann mit verschränkten Armen, der zwei Quirle wie Messer umklammerte. Vor seinem Teller war ein Namensschild, auf dem
WEI WEN ,
CHINA
stand.
An einem anderen Tisch saß grinsend ein Mann hinter seinem Namensschild mit der Aufschrift
ROHIT MANSUKHANI ,
INDIEN .
Nicht weit davon entfernt saß ein schlanker blonder Mann, der aussah, als sei er zwei Meter fünfzig groß:
DAG GERSKJOLD ,
NORWEGEN .
Er starrte mit abwesendem Blick an die Decke. Keiner der anderen Kandidaten sah besonders glücklich oder aufgeregt aus.
»Jeden Morgen um neun«, fuhr Jean-Pierre fort, »werde ich das Überraschungsmotto, also die Aufgabe des Tages, verkünden. In der Vergangenheit hatten wir Themen wie BLÄTTRIG , OHNE MEHL , GEROLLT , GRÜN . Was mir eben so in den Sinn kommt, wenn ich aufwache. Wo kommen diese Themen her? Wer weiß das schon!«
Rose drehte sich um und betrachtete die andere Seite des Saales. Dort saßen eine braungebrannte Frau mit kurzen blonden Haaren, die zu einer Igelfrisur gegelt war –
IRINA KLECHEVSKY ,
RUSSLAND
– und ein glatzköpfiger Mann mit unglaublich weißen Zähnen –
MALIK HALL ,
SENEGAL .
Es gab einen kleinen Mann mit fahler Haut und dicken Lippen –
VICTOR CABEZA ,
MEXIKO
– und einen sehr gutaussehenden Mann mit schulterlangen braunen Haaren –
PETER GIANOPULOUS ,
GRIECHENLAND .
Außerdem Fritz Knapschildt aus Deutschland, King Phokong aus Thailand, Niccoli Puzzio aus Italien und viele mehr. Alles Erwachsene mit wachsamen, wild entschlossenen Blicken. Sie meinten es todernst.
Was mache ich hier?, dachte Rose.
Zu ihrer Erleichterung entdeckte Rose einen Tisch mit zwei französischen Mädchen, die so aussahen, als ob sie noch zur Schule gingen. Ihre Namensschilder hatten die Aufschrift
MIRIAM DESJARDINS ,
FRANKREICH
und
MURIEL DESJARDINS ,
FRANKREICH .
Beim näheren Hinschauen sah es so aus, als seien sie eineiige Zwillinge, obwohl die eine lange braune und die andere kurze braune Haare hatte.
Tymo hatte sie auch schon entdeckt. Er lehnte sich so weit es ging in seinem Stuhl zurück und wackelte ihnen mit den Augenbrauen zu. Aber die Mädchen waren zu sehr auf Jean-Pierre Jeanpierre fixiert, um es zu bemerken.
»Nachdem ich das Thema angekündigt habe«, fuhr Jean-Pierre fort, »haben Sie eine Stunde Zeit, um eine spezielle Zutat Ihrer Wahl zu besorgen. Die übrigen Zutaten müssen aus der Gala-Küche kommen.«
Plötzlich fiel Rose ein, dass Tante Lily ja jetzt auch irgendwo hier im Saal sein musste. Sie sah sich um und entdeckte schließlich die beiden Produzenten von
30 Minuten Küchenzauber mit Lily
, Ryan und Kyle, am anderen Ende des Saales zusammen an einem Tisch sitzen. Beide Produzenten tippten eifrig etwas in ihre Handys. Von Lily selbst war keine Spur zu sehen.
Jean-Pierre unterbrach sich kurz, um einen Schluck von seinem Tee zu nehmen. »Nach zehn Uhr, wenn alle ihre spezielle Zutat
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