Die Glücksbäckerei – Die magische Prüfung (German Edition)
besorgt haben, fängt die Meisterschaft an. Sie werden aus allen Richtungen von Kameras beobachtet, die jedes Umrühren, jeden Schweißtropfen, jede Träne von Ihnen aufzeichnen. Sie müssen die Kameras lieben und sie gleichzeitig vergessen können.«
Rose betete, dass sie keine Tränen vergießen würde, die dann womöglich weltweit betrachtet werden könnten.
»Nach dem Backen treten Sie vor den Tisch der Jury, wo Ihre Süßspeisen von dem Preisrichter gekostet werden, also von mir. Danach gebe ich bekannt, wer es in die nächste Runde geschafft hat, und wer von Ihnen wieder nach Hause geschickt wird, um dort zu weinen und sich mit der Frage zu quälen, was Sie falsch gemacht haben, immer wieder, bis an Ihr Lebensende.«
Die Zuschauer kicherten hämisch.
»Es gibt fünf Meisterschaftstage, wobei der letzte Tag das große Finale zwischen den beiden besten Wettstreitern sein wird.« Jean-Pierre legte eine Pause ein und wischte sich die kahle Stirn. »Wie immer müssen die Teilnehmer an der Meisterschaft aus dem Gedächtnis arbeiten. Jeder, den man beim Backen mit einem Rezeptbuch erwischt, wird sofort rausgeworfen.«
Die Worte
aus dem Gedächtnis
machten Rose am meisten zu schaffen. Bei den Rezepten aus dem alten Backbuch kam es auf Genauigkeit an – jede Abweichung konnte nicht nur den Geschmack und die Konsistenz dessen verändern, was sie zu backen versuchte, sondern auch die magischen Eigenschaften. Sie und ihre Mutter würden sich in der Stunde vor Beginn des Backens die Zauberrezepte haarklein einprägen müssen – falls es Balthasar rechtzeitig gelang, sie zu übersetzen.
»Und wie immer darf keiner, der schon einmal an der
Gala des Gâteaux Grands
teilgenommen hat, erneut daran teilnehmen. Wenn Ihr Assistent in dieser Meisterschaft schon einmal gebacken hat, müssen Sie einen anderen Assistenten auswählen!«
Rose starrte ihre Mutter entsetzt an. Ihre Mutter starrte zurück. Nur keine Panik, dachte Rose und versuchte tief durchzuatmen. Großvater Balthasar ist ein Profi. Er kann mir assistieren.
Balthasar streichelte die gefalteten, zerkrumpelten Ohren von Gus. Rose beugte sich zu ihm und flüsterte: »Du kannst doch mein Assistent sein, Großvater Balthasar, oder?«
Balthasar schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe an der ersten
Gala des Gâteaux Grands
in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts teilgenommen, als ich sechsundsechzig war. Bin glatt in der ersten Runde ausgeschieden. Es war mörderisch.«
Rose sah ihren Vater an. »Ich weiß, dass du niemals teilgenommen hast, Dad«, sagte sie.
Albert griff in seine Hosentasche, zog eine braune Papiertüte heraus, hielt sie vor den Mund und fing an, heftig hineinzuschnaufen. »Rose«, brachte er zwischen verzweifelten Atemstößen hervor, »ich habe Angst vor Kameras. Und vor Zuschauern. Ich bin zu schüchtern. Mir wird schlecht vor Lampenfieber. Versuch es lieber mit Tymo. Ihr zwei wart doch auch ein gutes Team, als Mom und ich in Humbleton waren, nicht?«
»Thymian, mein Lieber«, sagte Polly, »du hilfst Rose doch, oder?«
Tymo reckte sich und äugte hocherfreut zu dem Tisch, an dem Miriam und Muriel Desjardins saßen. »Aber klar! Dann komm ich doch ins Fernsehen, oder?« Polly nickte. »Alles für meine geliebte
hermana
.« Tymo schrie praktisch, als er
hermana
sagte, in der Hoffnung, dass ihn die beiden Französinnen hörten.
Taten sie nicht – im Gegensatz zu Jean-Pierre Jeanpierre.
»Ruhe!«, brüllte er. »Sie haben noch einen Tag Zeit, um Ihre Partner auszusuchen. Wir sehen uns morgen früh um neun zur ersten Runde der Meisterschaft wieder.«
Damit ergriff Jean-Pierre die ringförmigen Handgriffe, die ihn immer höher emporzogen, bis er durch eine Öffnung in der Decke verschwand.
Rose sah ihren Bruder wieder an, der ihr beide hochgestreckten Daumen entgegenstreckte.
Wir werden verlieren, dachte sie nur.
Kapitel 4
Zuckersüße Nichtigkeiten
Am nächsten Tag machte Rose sich mit ihrer kleinen Gala-Küche im Expo-Center vertraut. Es war eine von zwanzig Einheiten, die an einem schwarz-weißgefliesten Gang lagen, der zu einem erhöhten Podium im vorderen Teil des Saales führte. Dort befanden sich ein Mikrophon und ein langer Esstisch aus Eichenholz.
Oberhalb der Küchenzeilen waren mit rotem Samt drapierte Emporen, fast wie die Ehrenlogen in einem Opernhaus. In der Empore über ihrem Bereich sah Rose Balthasar und Gus sitzen, zusammen mit ihren Eltern sowie Basil und Nella.
Auf der gegenüberliegenden Seite des
Weitere Kostenlose Bücher