Die Glücksbäckerei – Die magische Prüfung (German Edition)
Rose.
Jean-Pierre räusperte sich wieder. »Meinen Glückwunsch an die neun Bäcker, wenn ich diesen Begriff auch im weitesten Sinne verwende. Einige der sogenannten ›süßen Köstlichkeiten‹ waren eine eklige, traurige Angelegenheit. Ich musste es diesen Leuten jedoch gestatten, Tag zwei zu erreichen, weil die Hälfte der Wettstreiter nicht rechtzeitig fertig geworden ist. Diejenigen von euch, die es nur knapp in Runde zwei geschafft haben – und diejenigen wissen, wer gemeint ist –, können morgen keine Gnade erwarten.«
Rose stellte sich vor, wie Jean-Pierre Jeanpierre ihr den Kopf mit einer aus einem Kuchenblech gefertigten Guillotine abtrennte.
»Unsere Siegerin heute«, fuhr Jean-Pierre fort, »ist eine Frau, deren dekadente Schokoladenkreation selbst mich reizen konnte, den weltbesten Experten in Sachen Schokolade. Die großartige Frau, die den Tag aus seiner Bedeutungslosigkeit gerissen hat, ist … Lily Le Fay!«
Rose musterte Jean-Pierres Augen, während er die Siegerin vorstellte. Seine blauen Augen waren so dunkel geworden, dass Rose nicht erkennen konnte, wo die Pupillen aufhörten und die Iris anfing. Es war so wie bei Nellas Augen, die sich plötzlich verdunkelten, als sie den kompletten Gugelhupf gegessen hatte, der mit
Lilys Geheimsubstanz
gebacken worden war. Jean-Pierre hatte nicht ganz so viel zu sich genommen, und sein Körper war um Einiges größer als der von Nella, daher hoffte Rose, dass die Auswirkungen von kurzer Dauer sein würden; aber sie waren unübersehbar da. Lily hätte ihm Fertigpüree mit ihrer Geheimzutat vorsetzen können, und er hätte das zum genialsten Gericht erklärt, das er je gegessen hatte.
Gegen ihre Zauberkunst komme ich einfach nicht an, dachte Rose.
Lily eilte zur Bühne, wo ihr Jean-Pierre Jeanpierre eine silberne Krone aufsetzte. Dutzende Kameras umschwirrten sie, Blitzlichter flackerten auf und Lily lächelte.
»Was für ein Gefühl ist es, zu gewinnen, Lily?«, fragte ein Reporter.
»Ach, ich nehme es demütig an, hier dabei sein zu dürfen«, sagte sie.
In dem Augenblick entdeckte Rose den zwergenhaften Mann in dem Harlekinskostüm. Er hatte den kahlen Kopf schräg gelegt und spähte unter seinen schwarzen raupenartigen Brauen hervor in die Menge. Seine Augen blitzen grün auf, und Rose hätte schwören können, gesehen zu haben, dass er ihr vom Bühnenrand her zuzwinkerte.
»Tymo«, sagte sie und zog ihren Bruder am Ärmel. »Siehst du das? Wer ist der Typ?«
»Was für ein Typ?«
»Der kleine Typ dort neben Lily.«
Tymo sah zur Bühne hinüber. »Ich seh keinen kleinen Typ,
mi hermana
.«
Rose sah noch mal hin. Tymo hatte recht. Außer Reportern und Kameraleuten stand niemand mehr neben Lily.
Tymo tätschelte ihr den Kopf. »Ich glaube, du brauchst ein Schläfchen.«
Als sie wieder in der Familiensuite im
Hôtel de Notre Dame
waren, schloss Rose sich in dem Zimmer ein, das sie mit Nella teilte, und konnte nicht überredet werden, herauszukommen, nicht mal vom Duft einer Fertigpackung Makkaroni mit Käsesauce, die in der Miniaturküche der Suite aufgewärmt worden war.
»Rose!«, rief Nella durch die Tür. »Der Grad deiner Niedergeschlagenheit macht einem van Gogh Konkurrenz. Willst du dir das Ohr wegen ein paar verkohlter Plätzchen abschneiden? Du verhältst dich selbstsüchtig und larmoyant. Außerdem ist meine Schmusedecke da drin, und du hast mich ohne Decke ausgesperrt! Mach auf!«
»Rose, Schätzchen, mach auf«, sagte Polly. »Was heute passiert ist, war nicht deine Schuld. Wir waren einfach nicht richtig vorbereitet.«
Rose seufzte tief.
»Morgen werden wir vorbereitet sein«, sagte Albert. »Aber du musst rauskommen und mit uns zusammen überlegen, was zu tun ist.«
»Ich will nach Hause«, sagte Rose. »Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten, wie alles schiefgehen kann. Es ist kein fairer Wettkampf zwischen ihr und mir. Sie benutzt ihre Geheimsubstanz, und ich habe nur alte Familienrezepte.«
»Rechne bitte noch mal nach«, grunzte Balthasar. »Als
ich
das letzte Mal abgezählt habe, war Lily allein in ihrem Team. Du hast hier draußen sechs Leute und einen sprechenden Kater, die alle für dich arbeiten.«
»Stimmt«, sagte Gus. »Nur, dass Lily zusätzlich
Lilys Geheimsubstanz
auf ihrer Habenseite hat. Und einige sehr seltene Artikel in blauen Einmachgläsern. Das zusammen ist tödlich.«
»Was für seltene Artikel?«, fragte Balthasar.
Rose horchte genauer hin und legte ein Ohr an die Tür.
»Heute hat sie
Weitere Kostenlose Bücher