Die Glücksbäckerei – Die magische Prüfung (German Edition)
glatt. »Zu spät«, sagte er. »Ich habe soeben geklingelt – bildlich gesprochen natürlich.«
Rose hatte denselben unbändigen Wunsch wie Tymo, aus den Katakomben zu rennen, aber noch mehr wollte sie das Backbuch zurückhaben, daher wich sie nicht von der Stelle.
Gus, der endlich ein trockenes Fleckchen auf dem Steinboden gefunden hatte, saß da und hatte den Schwanz um die Pfoten gewickelt. »Kleine Rose, du musst dir keine Sorgen machen. Der Geist kann dir nichts tun. Stell ihn dir doch einfach wie ein altes, verblasstes Foto vor.«
Rose holte tief Luft und lächelte der grauen Fellkugel zu ihren Füßen dankbar zu.
Sie hatte schon gefröstelt, als sie die Katakomben betreten hatten, aber jetzt merkte sie, dass es noch kälter wurde, so kalt, dass ihr Atem zu Dampf wurde. Selbst der schwache Atem von Gus hatte sich in eine kleine Dampfwolke verwandelt.
»Jacques!«, rief jemand.
Rose drehte sich um. In einer Ecke – als habe er dort schon die ganze Zeit gestanden, unentdeckt von Rose – war ein Mann, der aussah, als sei er ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt. Er trug eine Hose, eine Weste und eine Schildmütze. Gus hatte recht gehabt – er sah genau aus wie ein sich bewegender, redender Ausschnitt aus einem verblassten bräunlichen Foto, ähnlich den Fotos, die gerahmt in der Geheimkammer ihrer Eltern hinter dem begehbaren Kühlraum hingen.
»Mon petit ami!«,
sagte der Mann, und seine Worte hallten wie aus weiter Ferne. »Du bist zurück!«
»Wir sind gekommen, um deinen Geburtstag zu feiern, Ourson«, sagte Jacques.
»Ah!« Ourson hob die Hände ans Herz. »Und du hast Freunde mitgebracht!«
Ourson kam durch den Raum auf sie zu. Obwohl er zu gehen schien, waren seine Bewegungen eher wie ein Schweben, nicht wie Schritte.
»Hallo«, sagte Rose mit piepsiger Stimme. »Wir – äh – haben Kuchen dabei.«
Basil kicherte nervös und zog die Kerzen und die Streichhölzer aus seiner Sweatshirt-Tasche. Er steckte die Kerzen in den Kuchen. Seine Finger zitterten so sehr, dass er das Streichholz erst beim dritten Versuch anbekam. »Wir sind aus Amerika«, plapperte er, als er eine Kerze nach der anderen entzündete. Sie hatten fünf Stück dabei. Jacques hatte gemeint, die Anzahl der Kerzen spiele keine Rolle. Wie viele Geister erinnerte Ourson sich nicht deutlich an sein Leben und dachte jeden Morgen, es sei sein Geburtstag.
»Wir besuchen Paris anlässlich der Backmeisterschaft«, fuhr Basil fort. Er kicherte. »Du verstehst,
backen
? Wie diesen Kuchen hier! Der ist gebacken. Paris ist schön. Wir haben die Seine gesehen. Wir waren auch im Louvre. Wenn wir Zeit haben, besuchen wir Schloss Versailles.«
Von seinem Plätzchen in Roses Sweatshirt warf Jacques Basil einen warnenden Blick zu. »Monsieur Basil!«, zischte er. »Pscht!«
Oursons vergnügtes Lächeln erlosch. Er runzelte die Augenbrauen. »Versailles!« Der Geist sprach es wie ein Schimpfwort aus. »Der Palast der Reichen und der Königsfamilie. Alles nur vom Feinsten! König und Königin stopfen sich voll, während das französische Volk hungert!«
Jacques’ Barthaare fielen schlaff herab. »Ich hatte euch ja gewarnt.«
»Das lassen wir nicht zu!«, fuhr der Geist fort. »Wir werden kämpfen –«
Rose schob den Kuchen mit den brennenden Kerzen näher zu Ourson, während Basil das blaue Glas bereithielt.
»Versteht ihr denn nicht?«, sagte der Geist. »Wir kämpfen für den Traum Frankreichs!
Liberté, egalité, fraternité
!«
Ourson verstummte und schien zum ersten Mal den Kuchen mit den Kerzen wahrzunehmen. Seine Stirn glättete sich wieder und das Lächeln kehrte auf sein Gesicht zurück. »Ah«, sagte er, »wie schön.« Bevor er seine Lungen füllte, überlegte er kurz, rundete dann die Lippen zu einem Kreis und ließ sachte einen Strom geisterhafter Luft über die Kerzen wehen.
»Aaaach!«,
machte er. Während die Flammen erst flackerten und dann ausgingen, hielt Basil das Glas schief über die Kerzen, um das gehauchte
Ach
aufzufangen, dann klappte er den Deckel zu. Er musterte das Glas und ließ es schließlich los. Das gehauchte Ach des Geistes war so leicht, dass das Glas in der Luft schwebte.
»Meine Freunde«, sagte Ourson leise, »soll ich euch sagen, was ich mir soeben gewünscht habe?«
»Freiheit für Frankreich?«, schlug Rose vor. »Tod den Tyrannen?«
»Non,
ma petite amie
«, sagte Ourson mit einem Lächeln. »Ich habe mir eine Geburtstagsfeier gewünscht. Meine Wut auf Ludwig den Sechzehnten und die
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