Die Glücksbäckerei – Die magische Prüfung (German Edition)
-Dalmatiner-
T-Shirts und zog den Messingschlüssel heraus, den ihr der Portier kurz zuvor Entschuldigungen stammelnd überreicht hatte.
Dem Kameramann, dem Tonmann und dem Kabelträger fielen gleichzeitig die Kinnladen herunter.
»Ganz recht, meine Herren. Ich bin die kleinste Frau der Welt, und ich warte hier auf ein Rendezvous mit dem kleinsten Mann der Welt. Ich hatte gehofft, meine leicht aufgedunsenen Augenringe loszuwerden, und wollte hier etwas ruhen. Aber da Sie meinen Versuch einer kosmetischen Gesichtskur so unsanft unterbrochen haben, bleibt mir keine Wahl, als meinem Liebhaber wie ein schlaffer alter Sack gegenüberzutreten.
Ich habe übrigens wohl bemerkt, dass Sie die Geschehnisse hier aufgezeichnet haben«, fuhr Nella an den Mann mit der Kamera auf der Schulter gewandt fort. »Wenn Sie es wagen, auch nur eine Szene Ihres jämmerlichen ›Filmmaterials‹ im Fernsehen zu zeigen, wird mein Anwalt Millionen von Ihrer schäbigen Produktionsfirma einklagen und Sie arbeitslos machen.«
»Es tut uns leid,
Madame
«, sagte der Tonmann. »Immerhin sehen Sie wie eine Vierjährige aus, weil Sie so klein sind und wegen Ihrer Frisur und Ihrer Kleidung.«
»Wie können Sie es wagen!«, rief Nella. »Dieses abgetragene
101 -Dalmatiner-
T-Shirt hat in einer Boutique an der Lower East Side in New York sechshundert Dollar gekostet. Sie verstehen offenbar sehr wenig von Stil. Ihre Vorstellung von Mode« – und sie deutete auf den Tonmann – »ist es wohl, eine Stange mit einem pelzigen Mikrophon herumzuschleppen, und Sie« – sie wandte sich an den Kabelträger – »halten Kabelschlaufen anscheinend für neumodischen Armschmuck.«
Der Kabelträger raffte schnell die ganzen Schlingen von Kabel zusammen, zog die Stecker an den verschiedenen Apparaten heraus und scheuchte seine Männer aus der Suite. »Bitte entschuldigen Sie,
Madame
.«
Sobald Rose das
PLING !
des Fahrstuhls aus dem Vorraum des Fantasy-Stockwerks hörte, sprang sie hinter dem Sofa hervor und hob Nella hoch.
»Nella!«, rief sie aus. »Du warst genial!«
Nella reckte ihr Stupsnäschen und tätschelte Rose gleichgültig die Wange, ohne den Hauch eines Lächelns. Die alte Nella – ehe sie den Rührkuchen mit
Lilys Geheimsubstanz
verspeist hatte – hätte sich jetzt in Roses Arme geschmiegt und liebevoll gegurrt, wenn auch nicht so wortreich. Diese neue Ausgabe von Nella war zwar ganz brauchbar, ohne Zweifel, aber Rose vermisste die alte Nella doch sehr.
Tymo tätschelte Nella den Kopf und zerzauste ihre Frisur, die wie der Strunk einer Ananas aussah.
»Also bitte!«, sagte sie und schlug seine Hand fort. »Finger weg von meinen Haaren!«
»Sieh dich vor!«, erwiderte Tymo. Er würde es zwar nie zugeben, aber Rose merkte, dass er seine verrückte, schmuddelige, kindliche kleine Schwester genauso vermisste wie sie.
Plötzlich schaute Jacques aus der Tasche in Roses Sweatshirt und tippte sich auf eine nicht vorhandene Armbanduhr. »Ihr müsst schnell zurück, sonst kommt ihr zu spät zur Meisterschaft!«
Nachdem Tymo in einer roten Schüssel Eiweiß steif geschlagen hatte, rührte Rose die trockenen Zutaten für den
Engelshauch-Biskuit
unter. Dann holte sie das Glas mit dem geisterhaften Ach. Sie atmete tief durch, öffnete das Glas über dem Teig und sah staunend zu, wie der Wunsch des Geistes, der leichter als Luft war, herunterschwebte und den Teig aus der Schüssel anhob. Sie knetete ihn mit der Faust unter, zog die Kuchenform heran und drückte den Teig hinein. Dann setzte sie eine zweite Kuchenform darauf, schnürte sie mit Bindfaden fest und schob das Ganze in den Backofen.
»Daumen drücken, Rose«, sagte Tymo und vergaß ganz, sein Spanisch einfließen zu lassen.
Rose sah zu Lily hinüber, die ihr
Frühlings-Soufflé
zubereitete. Sie erkannte einen runden Topf mit einem smaragdgrünen Schaumgebilde, das aussah, als sei es gänzlich aus Luft. Dieses süße Soufflé, das wusste Rose, war aus dem Backbuch der Familie Glyck. Es enthielt die Wünsche einer erblühenden Rosenknospe, und würde ein Gefühl von Frühling vermitteln, selbst im tiefsten Winter. Erblühende Rosenknospen waren scheue Wesen, die ihre Sehnsüchte eigentlich nicht mitteilten. Ihre Wünsche einzufangen, war daher in der Tat ein schwieriges Unterfangen. Zusammen mit einer Prise von
Lilys Geheimsubstanz
würde das Soufflé Jean-Pierre mit einem solch erhabenen Gefühl erfüllen, dass er ihr garantiert den Tagessieg zuerkennen würde.
Es war einfach
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