Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
diese Sache muss bereinigt werden.«
»Dazu wird es nicht kommen.«
»Das bedaure ich sehr«, sagte sie.
»Ich will offen zu dir sein, Cleo. Nicki Molinari hat mir erzählt,dass dein Mann und dein Sohn von Gangstern ermordet wurden, nicht von Lamar Ellisons Bikergang. Der Sheriff ist der gleichen Meinung. Warum gibst du Molinari und seinen Freunden nicht das Geld, das ihnen dein Mann geschuldet hat, damit du’s hinter dir hast?«
»Du zitierst Nicki Molinari im Zusammenhang mit meinem Sohn? Du nichtsnutziger, dreckiger Strolch«, sagte sie.
»Adios«, sagte ich und stieg in meinen Pick-up. Ich spürte ihren stechenden Blick, als ich den Anlasser betätigte, und wusste, dass sie mir am liebsten die Haut abgezogen hätte.
An diesem Abend fuhr Sue Lynn Big Medicine mit dem Pick-up ihres Onkels ins Jocko Valley und zum Reservat der Flathead-Indianer. Sie kam am Rodeogelände und an dem Platz vorbei, wo die Powwows stattfanden, und folgte einem Fahrweg, der in die Berge führte, sich immer höher in die dunklen Wälder hineinzog, in den tiefen Schatten der Bäume, zwischen denen graue, mit Flechten überzogene Felsen aufragten.
An einer flachen, nur von vereinzelten Bäumen bestandenen Stelle bei einem Bach bog sie vom Weg ab. An dem Wasserlauf standen die Überreste einer verlassenen Schwitzhütte – geschälte Weidenzweige, die zurechtgebogen, ineinander verflochten und mit verrotteten Zelttuchstreifen behängt waren. Sie stellte den Motor ab, ging hinunter zum Wasser und lehnte sich an einen Felsen, rauchte eine Zigarette und wartete. Wenig später hörte sie ein Fahrzeug mit Allradantrieb, das sich im niedrigen Gang den Fahrweg hochquälte.
Der Mann, der ihr aufgetragen hatte, hier auf ihn zu warten, stieg aus dem Wagen und kam auf sie zu. Er trug Stiefeletten, eine Khakihose, ein langärmliges blaues Baumwollhemd und eine Schirmmütze. Seine Haare waren ordentlichgeschnitten, und selbst am Abend war er frisch rasiert und duftete nach Lotion.
»Habe ich Sie lange warten lassen?«, fragte Amos Rackley.
»Ich hatte nichts anderes zu tun«, sagte sie und zog an ihrer Zigarette, hatte das Kinn hochgereckt und den Blick abgewandt.
»Wo ist der Rennwagen von Ihrem Onkel, der mit den Nummern auf den Türen?«
»Der hat kein Licht.«
Er schien sie freundlich anzuschauen, aber einen Moment lang verharrte sein Blick auf ihrem Mund und wanderte dann über ihren Hals zu den Brüsten.
»Ich habe einen Ordner dabei, in dem ein paar Schusswaffen abgebildet sind«, sagte er. »Ich möchte, dass Sie sich die Bilder anschauen und mir mitteilen, ob Sie irgendeine dieser Waffen in Carl Hinkels Haus gesehen haben.«
Er schlug den Ordner auf dem Felsen auf, an dem sie lehnte, und richtete eine kleine Taschenlampe auf eine Reihe von Hochglanzbildern. Sie spürte, wie die Haare an seinem Unterarm ihre Haut streiften.
»Ich verstehe nichts von Schusswaffen«, sagte sie.
»Ein Mädchen aus dem Reservat? Das unter Jägern aufgewachsen ist? Das kann ich kaum glauben, Sue Lynn.«
»Ich weiß nicht, was für Waffen Carl Hinkel hat. Es sind halt Waffen.«
»Aha. Wir müssen Sie noch mal in Hinkels Haus schicken«, sagte er und schlug den Ordner zu.
»Die sind mir auf die Schliche gekommen.«
»Das glaube ich nicht. Die sind nur von Haus aus argwöhnisch. Rufen Sie Wyatt an und erzählen Sie ihm, dass Sie sich mit dem jungen Holland gestritten haben und ihn nicht mehr sehen wollen.«
»Ich will nicht mehr allein mit Wyatt sein. Sie haben ja keine Ahnung, was er –«
»Wir sind in der Nähe«, fiel Rackley ihr ins Wort. »Sie werden ein Mikro am Leib tragen. Ihre Aufgabe ist fast erledigt.« Er schob seine Hand ein Stück vor und berührte ihre Fingerspitzen.
»Ich kann das nicht machen«, sagte sie.
»Was? Was können Sie nicht machen, Sue Lynn?«
Sie wollte ihre Hand wegziehen, brachte es aber nicht fertig. Sie spürte, wie ihr Herz schlug, wie sich ihre Brust hob und senkte.
»Ich hasse euch. Ich hasse euch alle«, sagte sie.
Sie spürte, wie er ihre Hand losließ. Ein kalter Wind wehte ihr in den Nacken und fächerte ihre Haare über die Wangen. Sie hätte sich am liebsten umgedreht und ihn in Grund und Boden gestarrt, aber sie konnte die Augen lediglich auf die verdorrten Überreste der Schwitzhütte richten, auf die geschwärzten Steine, die einst in längst erloschenen Feuern erhitzt worden waren.
»Sie enttäuschen mich, Sue Lynn. Ich melde mich bald bei Ihnen. Sie werden uns eine große Hilfe sein. Sie werden
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