Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
blass, der Mund leicht schief, sodass sie ein bisschen verletzlich wirkte, als wären ihre Miene und das Lächeln keineswegs einstudiert. Sie hatte ihre dunklen Haare geflochten und zu Löckchen gedreht, und wenn sie mit jemandem redete, stand sie dicht bei der betreffenden Person, ob Mann oder Frau, strahlte eine geradezu sinnliche Vertrautheit aus und wirkte zugleich arglos und offen.
»Sie waren stellvertretender Bundesanwalt?«, sagte sie.
»Eine Zeit lang. In Phoenix«, erwiderte ich.
»Warum haben Sie den Dienst quittiert?«, sagte sie.
»Vermutlich war ich dafür nicht besonders geeignet.«
Forschend schaute sie mir in die Augen, als sollten wir beide gemeinsam die Bedeutung meiner Aussage ergründen. Dann fasste sie mich mit Daumen und Zeigefinger am Handgelenk und sagte: »Darf ich Ihnen etwas anvertrauen?«
Wir gingen zum Rand der Terrasse, in den Schatten und den kühlen Lufthauch, der vom Fluss aufstieg. Schwarz zeichneten sich die Kiefern weiter oben am Hügel vor den Sternen ab. Sie trug ein rotes Abendkleid, in dessen Ausschnitt der Ansatz ihrer Brüste schimmerte. Durch die Schiebetür sah ich Doc, der immer wieder eine Telefonnummer eintippte, während Cleo mit gereizter Miene hinter ihm stand.
»Ich mache mir Sorgen um Doc. Er ist außer sich wegen dieser Goldmine oben am Blackfoot«, sagte Holly Girard.
»Anscheinend hat er dabei allerhand Gleichgesinnte«, sagte ich.
»Aber auf ihn hören die Leute. Er war ein Kriegsheld. Er ist eine Ikone, er hat eine geradezu spirituelle Ausstrahlung. Er könnte das Telefonbuch vorlesen und würde dabei wie John Donne klingen.«
»Glauben Sie, irgendjemand könnte ihm etwas antun?«
»Was würden Sie denn von Doc halten, wenn Sie keine Arbeit und nichts zu essen hätten und Ihnen ein Dichter erzählt, dass ein Forellengewässer wichtiger ist als die Lebensmittel für Ihre Familie?«, sagte sie.
Ich sah, wie Doc den Hörer auf die Gabel knallte.
»Entschuldigen Sie mich«, sagte ich und ging hinein.
Doc, der die Hand immer noch am Hörer hatte, riss die Augen auf, als er mich sah, und rang sich ein Lächeln ab.
»Ich habe in dem Kino angerufen, in das sie gehen wollten. Ich kenne den Geschäftsführer. Er hat sie nicht gesehen«, sagte Doc.
»Als hätte der Geschäftsführer nichts anderes im Kopf«, sagte Cleo.
»Wollt ihr gehen?«, fragte ich.
»Ich hätte mit meinem Auto herfahren sollen«, sagte Doc.
»Ist schon gut«, sagte ich.
»Ist ein toller Abend gewesen. Ich weiß bloß nicht, ob ich noch mehr davon ertrage«, sagte Cleo.
Ich sagte ihnen, dass sie draußen auf mich warten sollten, und ging den Flur entlang zur Toilette. Drei Frauen und zwei Männer standen bei einem abstrakten Ölgemälde unweit der Toilettentür. Ihre Augen strahlten, während sie sich unterhielten, hin und wieder hell auflachten.
»Ist das die Schlange zum Klo?«, fragte ich.
Sie verstummten und schauten mich mit sonderbarem Blick an, als hätte ich in einer fremden Sprache gesprochen. Dann sagte eine Frau: »Holly ist drin.«
Die Tür stand einen Spaltweit auf, und ich sah Holly Girard, die sich über einen Spiegel beugte, der auf einer Marmorplatte lag. Ihr Abendkleid war am Rücken tief ausgeschnitten, sodass ich die zarten Knochen sah, die sich unter ihrer Haut abzeichneten, als sie sich mit einem aufgerollten Dollarschein die fein zerhackte weiße Line in die Nase zog. Sie wischte mit dem Zeigefinger den Spiegel ab und rieb sich das Pulver ins Zahnfleisch.
Sie straffte die Schultern, drehte sich um, öffnete die Tür und schaute mich verdutzt an.
»Oh, hallo«, sagte sie. »Das Dienstmädchen muss meine Zahnbürste verlegt haben. Ich musste mir die Zähne mit dem Finger putzen. Ist denn das zu fassen?«
»Klar. Darf ich durch die Tür dahinten rausgehen?«, sagte ich und zeigte zum anderen Ende des Ganges.
»Sind Sie irgendwie beleidigt?«, fragte sie.
»Nein, keineswegs.«
»Dann bleiben Sie doch hier«, sagte sie und fasste mich wie zuvor am Handgelenk.
»Sie haben mich gefragt, warum ich den Dienst bei der Bundesanwaltschaft quittiert habe«, sagte ich. »Weil ein Texas Ranger namens L. Q. Navarro und ich unten in Mexiko einen Haufen Kokain- und Heroinschmuggler umgebracht haben. Ich hasse die Dreckskerle, die das Zeug verkaufen, und wenn ich’s noch mal machen müsste, würde ich diese Männer wieder umbringen. Daher käme ich mir ein bisschen scheinheilig vor, wenn ich jemanden wegen Mordes anklagen müsste.«
Die Männer und Frauen, die bei
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