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Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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Gestalt mit dem Hut klar zu machen, dass er für niemanden eine Gefahr darstellte, dass er im Großen und Ganzen schlimmstenfalls der motorisierte Dussel gewesen war, ein harmloser, umgänglicher kleiner Typ, um den sich die großen Macker kümmerten. Was wollte der Typ mit dem Hut? Warum sagte er nichts? Tommy Lee hatte das Gefühl, als ob sich die Haut von seinem Gesicht schälte.
    Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Vor seinem inneren Auge sah er die Farm in Georgia, auf der er aufgewachsen war, ein Mädchen, das ihn beim Ball auf ihrer Highschool zum Tanz aufgefordert hatte, die glutflüssige rote Sonne, die im Golf von Mexiko versank. Er wollte all das wieder erleben und war bereit, jeden Preis dafür zu zahlen. Wenn ihm nur das noch mal vergönnt wäre, würde er für alle Übeltaten geradestehen und allen Menschen, denen er jemals etwas zuleide getan hatte, Abbitte leisten.
    Wenn nur die Gestalt mit dem Hut und dem im Schatten liegenden Gesicht den Revolver irgendwo anders hin richten würde.
    Er hatte sich den Satz, der all diese Gedanken enthielt, fast zurechtgelegt, als ein Blitz aus dem Revolverlauf zuckte, ein Kupfermantelgeschoss ein glattes Loch in sein rechtes Brillenglas schlug und ein Blutstrahl aus seinem Hinterkopf ins Gras spritzte.

13. KAPITEL
    Sheriff J. T. Cain klopfte am nächsten Morgen in aller Frühe an Docs Tür.
    »Wo sind Sie letzte Nacht gewesen?«, sagte er.
    »Hier«, sagte Doc.
    »Die ganze Nacht?«
    »Ja, ich war die ganze Nacht hier.«
    »Was haben Sie gemacht?«, sagte der Sheriff.
    »Geschlafen.«
    »Können Sie das bestätigen?«, sagte der Sheriff zu mir.
    »Was ist denn los, Sheriff?«, sagte ich.
    »Nichts weiter. Wieder ein Toter. Kommen Sie bitte mal mit«, sagte er zu mir.
    Ich folgte ihm zu seinem Wagen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, und von den Felsen im Fluss stieg Nebel auf und blieb zwischen den Bäumen hängen. Der Sheriff blieb stehen und stützte die Hände in die Hüfte. Er hatte den Cowboyhut schräg auf dem Kopf sitzen und seine rote Krawatte ans Hemd geklemmt.
    »Der Mann dort ist die ganze Nacht nicht aus dem Haus gegangen?«, fragte er.
    »Meines Wissens nicht.«
    »Ihres Wissens, was? Fahren Sie ein Stück mit mir.«
    »Weshalb?«
    »Ihr Strafverteidiger verbringt zu viel Zeit in eurem Büro. Ich will Ihnen das Werk von unserem Scharfschützen zeigen.«
    Ich stieg in sein Auto und fuhr mit ihm von Missoula aus nach Westen und dann eine lange Bergstrecke hinauf in Richtung Idaho. Grün ragten die mit Douglasfichten überwucherten Berge auf, deren Kämme sich immer höher zum lachsfarbenen Himmel auftürmten. Dann rauschte der Clark Fork tief unter uns durch eine Schlucht und verschwand schließlich.
    Wir fuhren durch die Kleinstadt St. Regis, bogen unter einem Eisenbahnviadukt von der vierspurigen Straße ab und kamen in eine Talsenke, durch die sich ein Fahrweg zog, an dem zu beiden Seiten vereinzelte Bretterhäuser standen. Wäscheleinen waren über die mit Müll übersäten Höfe gespannt, ein Anblick wie in den südlichen Appalachen.
    Der Sheriff hatte während der Fahrt kaum etwas gesagt.
    »Sehen Sie die alten Bäume da oben. So hat das früher überall ausgesehen«, sagte er. »Es gab kein Zyanid in den Flüssen und kein Schwemmwasser von den kahl geschlagenen Hängen, das die Laichgründe ruiniert. Es gab keine Aryan Nation, keine Christian Identity und auch keine Miliztypen, die aus Idaho hierher kommen. Wissen Sie, warum es denen hier oben in den Wäldern so gefällt?«
    »Das sind Feiglinge. Sie haben Angst vor Schwarzen und Juden und lassen sich in Gegenden nieder, wo sie sich nicht unter gleichen Bedingungen mit ihnen messen müssen.«
    Er drehte sich um, schaute mich an und wäre fast von der Straße abgekommen.
    »Verdammt, mein Junge, Sie haben ja mehr Verstand, als ich Ihnen zugetraut hätte«, sagte er.
    Der Coroner war erst spät am Tatort eingetroffen und wurde gerade mit seiner Arbeit fertig. Zwei Sanitäter warteten mit einer Bahre am Fahrweg. Auf ihr lag ein leerer schwarzer Leichensack mit offenem Reißverschluss.
    Tommy Lee Stoltz war beim Aufprall der Kugel von der Veranda in den Hof geschleudert worden. Ein Rolle Toilettenpapier war aus dem Karton mit Konservendosen gefallen, den er getragen hatte, die Treppe hinabgekullert und in eine braune Wasserpfütze unter der Veranda gerollt. Stoltz, dessen zerbrochene Brille schief im Gesicht hing, lag auf dem Rücken und starrte zum Himmel. Das rechte Glas steckte in der mit

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