Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
bei dieser Sache regelrecht umbringt, Mr. Holland?«
»Was denn?«
»Dieser Tropf hat in seinem ganzen Leben nur einen Job gehabt, und da hat er im Supermarkt Lebensmittel verpackt. Und wir wenden unsere ganze Arbeitskraft dafür auf, um einen Packjungen dingfest zu machen.«
»Wissen Sie, warum er nach Montana gezogen ist?«
»Er hat gesagt, er will in die Berge und als Naturbursche in einem rein weißen Land leben. Stimmt es, dass man in Montana T-Shirts mit der Aufschrift Wenigstens sind unsere Kühe normal‹ kaufen kann?«
In dieser Nacht trug ein kleiner Mann mit viel zu kurzen Armen seine gesamten Habseligkeiten aus einem Bretterhaus, das am Rande einer kleinen Siedlung nahe der Grenze zu Idaho stand, und verstaute sie in seinem Auto. Der Mond war gerade über der Talsenke aufgegangen, in der der Mann lebte, schwarz zeichneten sich die Bergkämme am Himmel ab, und der ausgewalzte Fahrweg vor dem Haus wand sich wie eine platt gedrückte weiße Schlange unter dem Eisenbahnviadukt hindurch, an anderen baufälligen Häusern vorbei zum vierspurigen Highway, auf dem der Mann mit Vollgas in die Cascade Mountains und nach Seattle brausen wollte.
Der Mann hieß Tommy Lee Stoltz, und er trug einen schwarzen Cowboyhut, den er tief auf die Ohren gedrückthatte, Bauarbeiterstiefel mit verstärkten Sohlen und Absätzen und eine Brille mit dicken Gläsern, durch die seine Augen wie große Murmeln wirkten. Er hatte sich kleine Tränen unter die Augenwinkel tätowieren lassen, sodass er aussah, als wäre er ständig traurig. Die Nachtluft war kalt, aber er schwitzte in seinen Sachen, und sein Herz raste jedes Mal, wenn er ein Auto oder einen Laster auf dem Fahrweg hörte.
Warum war er bloß aus Florida abgehauen? Er hatte dort ein schönes Leben gehabt, hatte Häuser hochgezogen, war in den Freiluftbars unten am Strand rumgehangen, hatte sich mit Bier und billigem Gras zugedröhnt, das von Inseln eingeschmuggelt wurde, und war mit seinem Bock volles Rohr über die Seven-Mile Bridge gedonnert. Selbst das eine Jahr, das er in einem Straßenbautrupp abgebrummt hatte, war nicht übel gewesen. Die Wintertage waren wunderbar, die Fische frisch und knusprig gebraten, und wenn man wollte, klatschten einem die Kubaner bei der Essensausgabe im Lager haufenweise schwarze Bohnen und Reis auf den Teller.
In Kalifornien war dann alles den Bach runtergegangen, wegen eines Gewerkschaftsausweises, und er war nicht mehr als Maschinist zugelassen worden, weil er eine Rechenprüfung für die zehnte Klasse nicht bestanden hatte. Danach war er aus seinem Hotel in Santa Monica geflogen, musste seinen Bock verkaufen und nach South Central L. A. ziehen. Ein Crip schubste ihn die Treppe runter. Zwei Bloods, die er nach der Busverbindung gefragt hatte, lachten sich über seinen Bauernakzent schief und schmissen ihn von einer Feuerleiter in einen Müllcontainer voller fauligem Gemüse.
Pfeif drauf. Wenn er schon im Dreck leben musste, konnte er sich auch anpassen und das Beste draus machen. Und so geriet er in die nächsten großen Unruhen in Los Angeles. Die Schlägerbanden, die Illegalen, die Kiffer und Kokser, diearbeitslosen Hinterwäldler wie er, alle Mann in der South Side machten mit, räucherten die Koreaner aus, plünderten Schnapsläden und Pfandleihen, zerrten Geschäftsleute aus ihren Autos, raubten sie aus und zogen ihnen Flaschen über den Schädel, und alles kam live im Fernsehen, während die Hubschrauber über dem ganzen Brimborium kreisten und die Cops hinter ihren Barrikaden standen und zuschauten. Es war der reinste Irrsinn, wie im Krieg, bloß dass die andere Seite nicht schießen durfte. Das Slumleben und der Aufstand der Unterprivilegierten hatten eindeutig ihre Vorzüge, sagte sich Tommy Lee.
Aber nachdem man fünf Tage lang zugeschaut hatte, wie die Stadt in Flammen stand, war schließlich die Army angerückt, hatte Sandsäcke und Maschinengewehre aufgebaut und die Plünderer in Militärlaster getrieben. Ratet mal, wen sie erwischt hatten?
Weil er weiß war, bloß deswegen. Drei Dutzend Kannibalen rennen aus einem Elektroladen, schleppen Fernseher und Stereoanlagen auf dem Kopf davon, und dann kommt er daher, tappt durchs zerbrochene Glas und will einen großen Mikrowellenherd aus dem Fenster wuchten und zu seiner schwarzen Braut schaffen, die ihm versprochen hat, dass sie’s ihm tüchtig besorgt, wenn er was Schönes für ihre Küche abstaubt, und wusch, schon kriegt er einen Schlagstock übers Rückgrat gezogen.
Er
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