Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
hinter Docs Anwesen und hielt vor dem Haus.
Amos Rackley, der ATF-Agent, stieg auf der Beifahrerseite aus und klopfte mit der Faust an die Tür, dass ein Bild im Flur schepperte. Er trug eine Sonnenbrille und einen dunklen Anzug und wirkte noch hitziger und energischer als sonst. Auf seinem Gesicht glänzte der Schweiß, während er einen Kaugummi im Mund knallen ließ.
»Es muss an den Genen liegen«, sagte er, als ich die Tür öffnete.
»Was?«
»In der Familie. Wie eine verstopfte Toilette, die überläuft. Erst habe ich Ärger mit Ihnen. Jetzt mit Ihrem Jungen.«
»Wovon reden Sie überhaupt?«
»Wir haben jemanden bei einer bestimmten Indianerin vorbeigeschickt. Raten Sie mal, wer an die Tür gekommen ist?«
»Lucas?«
»Ohne Hemd und Schuhe. Mit langen, roten Kratzern am Rücken. Mich wundert’s bloß, dass er seinen Stall zugemacht hat.«
»Ihr Jungs hättet 1692 in Salem dabei sein sollen. Da hättet ihr gut hingepasst«, sagte ich.
»Hören Sie mal zu, Sie arroganter Sack ...«
Aber er war so aufgebracht, dass er kein Wort herausbrachte. Er nahm den Kaugummi aus dem Mund, klebte ihn an den Türrahmen und klappte einen Ordner voller zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter großer Fotos auf. Blutüberströmte Menschen, die aus Trümmern gezogen wurden, waren darauf zu sehen, eine weinende Mutter, die ein totes Kind auf den Armen trug, ein weißer Polizist, der einen Schwarzen auf einer Trage von Mund zu Mund beatmete.
»Das ist das Alfred P. Murrah Building, Sie Arschgeige«, sagte er. »Ich gehe jede Wette ein, dass diese Scheiße in Hayden Lake, Idaho, ausgeheckt wurde. Aber Sie und jetzt auch noch Ihr Sohn müssen sich ja unbedingt reindrängen, weil ihr entweder weibstoll seid oder euch sowieso aus nichts raushalten könnt. Warum gehen wir nicht einfach in den Wald dahinten, wir zwei, und sehen, was dabei rauskommt? Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich das genießen würde.«
Ich trat auf die Veranda hinaus. Es war ein strahlend schöner Tag, aber im Schatten wehte mir ein kalter Wind ums Gesicht.
»Mein Sohn mischt sich nicht in Ihre Ermittlungen ein. Er ist in Sue Lynn Big Medicine verliebt, deswegen ist er bei ihr. Sie waren doch auch mal in seinem Alter. Haben Sie denn kein bisschen Einfühlungsvermögen?«, sagte ich.
»Ein toller Spruch, und das von einem abgehalfterten Ranger, der seinen eigenen Partner getötet hat. Ich hab’s mir anders überlegt, Mr. Holland. An einem Mann wie Ihnen möchte ich mir die Hände nicht schmutzig machen. Sie kotzen mich an.«
Ich spürte, wie mir das Wasser in die Augen stieg, als er wegfuhr, bis ich die Bergkämme, die Ponderosakiefern und die Klippen nur mehr als verzerrte, grüne und gelbe Schemen wahrnahm. Ich wollte mich umdrehen und nachschauen, ob L. Q. Navarro bei der Scheune oder im Schatten der Seidenholzbäume unten am Fluss stand, vielleicht auch auf dem Gatter der Pferdekoppel hockte.
»L. Q.?«, sagte ich.
Doch nur der Wind, der in den Bäumen rauschte, antwortete mir.
Gegen Abend sattelten Maisey und ich den Appaloosa und das Vollblut, die Docs Nachbarn bei ihm untergestellt hatten, und ritten auf einem Holzziehweg in die Berge hinter dem Haus hinauf. In der Ferne sahen wir alte Kahlschläge und verbrannte Baumstümpfe an den Flanken der Rattlesnake Mountains.
»Ich habe mitgehört, was dieser FBI-Agent heute Morgen zu dir gesagt hat, Billy Bob. Wieso lässt du dir so was bieten?«, sagte sie.
»Er hat in Oklahoma City Freunde verloren. Daran kann er nichts ändern, deshalb lässt er seine Wut an andern aus. So ist das eben manchmal.«
»Mein Vater sagt, dass du unterschwellig ein ziemlich gewalttätiger Mann bist.«
»Ich war es mal. Das heißt nicht, dass ich es heute noch bin.«
»Der Sheriff hat heute Morgen angerufen. Er will noch mal mit meinem Vater reden.«
»Weshalb?«
»Der dritte Mann, der mich vergewaltigt hat, ist tot. Ich bin froh darüber. Ich hoffe nur, dass er gelitten hat, als er starb«, sagte sie. Sie schaute mich mit verkniffener Miene an, wirkte wütend und verbittert.
»Maisey, ich kann mir vorstellen, wie dir zumute ist, aber –«
»Sag nichts, Billy Bob. Bitte sag nichts.«
Sie zog ihr Pferd herum und ritt in den Schatten, stieg dann ab und sammelte Heidelbeeren, die sie in ihren Hut warf, obwohl sie noch grün und ungenießbar waren.
Dann sah ich den Streifenwagen des Sheriffs unten auf den Hof fahren.
Ich ritt auf dem Vollblut den Berg hinab, nahm meinen Hut ab, betrachtete die grüne
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