Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
Bäume war es mit einem Mal kalt wie in einer Gruft.
Ich bemerkte, dass L. Q. an mir vorbeischaute, zu jemandem, der am Ufer stand. Dann war L. Q. verschwunden, und dort, wo er gewesen war, wimmelte ein großer Schwarm frisch geschlüpfter Lachsfliegen mit rosa Leibern und dunklen Flügeln auf dem Wasser.
»Gehen Sie immer in voller Montur ins Wasser, Mr. Holland? Reichen Sie mir den Stock, dann zieh ich Sie raus«, sagte Nicki Molinari vom Ufer aus. Der Rauch seiner Zigarette hing wie ein Klumpen Baumwolle vor seinem Mund.
16. KAPITEL
Nicki Molinari trug lederne Wandershorts, die sich eng um seine Schenkel spannten, Bergsteigerschuhe mit roten Schnürsenkeln und schweren Ösen und ein rotes Polohemd, das unter der Brust abgeschnitten war. Ein Narbengeflecht, das wie rosige Schnüre wirkte, zog sich auf der einen Seite zwischen Hüfte und Brustkorb über seine Haut. Seine linke Hand steckte in einem verblichenen Fängerhandschuh, in dem ein abgewetzter Baseball ruhte.
Forschend blickte er unter den Bäumen auf und ab, als hörte er Stimmen im Wind.
»Haben Sie mit jemandem geredet?«, fragte er.
Ich sah sein Kabrio in der Sonne stehen. Seine Männer waren nirgendwo in der Nähe.
»Was wollen Sie?«, fragte ich.
»Die Schlampe oben im Jocko Valley schuldet mir siebenhundertRiesen. Ich zahle Ihnen zehn Prozent Finderlohn, wenn Sie ihr die Kohle rausleiern.«
»Mit der Schlampe meinen Sie Cleo Lonnigan?«
»Wenn Sie sich an meiner Ausdrucksweise stoßen, kann ich’s nicht ändern. Ihr Mann war der Geschäftspartner von ein paar Bekannten von mir. Er hat sie gelinkt, sie haben mich gelinkt. Ich bin in Terminal Island gelandet. Ums kurz zu machen – ich bin vom ganzen Rudel nach Strich und Faden durchgebumst worden, und die Braut wohnt auf einer Pferderanch, die sie sich von meinem Geld gekauft hat.«
»Kein Interesse«, sagte ich.
Er warf den Baseball in die Luft und fing ihn auf.
»Wollen Sie Fangen spielen?«, sagte er.
»Nein.«
Er grinste und schmiss den Ball auf mein Gesicht, sodass ich ihn fangen musste, wenn ich nicht getroffen werden wollte.
»Sehen Sie, Sie können’s doch«, sagte er. »Kommen Sie, ich habe noch einen anderen Handschuh im Caddy.«
»Wie wär’s, wenn Sie abhauen?«, sagte ich.
»Ich dachte, Sie verstehen ein bisschen Spaß.«
Ich ging an ihm vorbei in die Sonne und reichte ihm den Ball. Ich hörte, wie er hinter mir herkam.
»Was haben Sie gegen mich?«, fragte er.
»Sie bringen Menschen um.«
»Ach, Sie haben die Geschichten gehört, was? Dass ich Leichenteile im Müllschredder hinterlasse, Leute von Hausdächern schmeiße und dergleichen mehr? Das ist doch bloß der Quatsch vom DEA.«
»Das glaube ich nicht.«
»Waren Sie beim Militär?«
»Nein.«
»Ich war in Laos, in einer Gegend, in der die kleinen Stummelzwerge,die Hmong heißen, jede Menge Mohn anbauen. Ich und vierhundert andere Jungs. Wir sind zurückgelassen worden. Was glauben Sie, warum das passiert ist?«
»Ich weiß es nicht.«
»Doch, das wissen Sie. Sie haben doch für die Regierung gearbeitet. Wenn Sie auf die Märchen der Regierung über Mafiosi stehen, ist das Ihre Sache. Was ich in fünf Jahren anstelle, kommt nicht annähernd an das ran, was ich in fünf Minuten in Vietnam gesehen habe. Unter anderem, dass Dope mit amerikanischen Flugzeugen aus dem Goldenen Dreieck geschafft worden ist.«
»Wie sind Sie aus Laos rausgekommen?«
»Spielen Sie Fangen mit mir, dann erzähl ich Ihnen die ganze Geschichte.«
»Nein.«
»Waren Sie mit Cleo in der Kiste?«
»Sie gehen zu weit, Nicki.«
»Schon wieder der Vorname. Ich steh drauf. Ich habe auch ein paar Mal mit der Braut gebumst. Das ist, als wenn man mit ’nem Eisblock kuschelt. Stimmt’s oder hab ich Recht?«
Er ließ den Baseball im Handschuh auf und ab rollen und musterte mit heruntergezogenen Mundwinkeln das abgewetzte Leder.
In dieser Nacht träumte ich von Doc Voss, der im gelben Mondschein bis zur Hüfte in einem eisigen Fluss stand. Dann straffte sich seine Schnur in der Strömung, und die Spitze seiner Angel bog sich fast bis auf den Wasserspiegel und zitterte unter der Last.
Er schlang sich die Schnur so eng um den linken Unterarm, dass die Adern hervortraten, drillte eine lange, dicke Bachforelle durchs seichte Wasser und landete sie auf dem Kies. Erzog ein großes Messer aus der Scheide an seinem Gürtel und beugte sich über die Forelle, stieß die Messerspitze in ihren After und schlitzte ihr den Bauch bis zu den Kiemen
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