Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
wenn sich diese Typen in Ihrem Revier rumtreiben?«
»Gangster gibt’s hier schon seit Jahren. Die möchten gern, dass hier Spielkasinos zugelassen werden, damit sie aus dem Flathead Lake eine Art Lake Tahoe machen können«, sagte er.
»Ich habe Molinari heute Morgen mit Xavier und Holly Girard gesehen«, sagte ich.
»Sollte mich das irgendwas angehen?«
»Sie haben mich an die Girards verwiesen, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Und zwar aus einem bestimmten Grund.«
»Dann finden Sie ihn raus, aber belästigen Sie mich nicht mehr«, sagte er und legte auf.
Ich fuhr zum Haus der Girards am Clark Fork. Die Erfahrung, die ich bei meinem Besuch machte, sollte mich einmal mehr daran erinnern, wie vermessen es ist, davon auszugehen, dass wir alle von den gleichen Moralvorstellungen geleitet werden.
Xavier roch nach Alkohol, als er die Tür öffnete. Aber er war nicht betrunken, jedenfalls nicht so, dass ich es feststellen konnte. Seine Haare waren frisch geschnitten, die Augenbrauen gestutzt. Mit straffen Schultern stand er da, benahm sich zwanglos und ausgeglichen. Ein bisschen melancholisch und in sich gekehrt wirkte er vielleicht, soweit sich seine Stimmung überhaupt einschätzen ließ.
»Störe ich Sie?«, fragte ich.
»Ich war am Schreiben.«
»Haben Sie zehn Minuten Zeit für mich?«
»Kommen Sie rein«, erwiderte er.
Ich folgte ihm in ein geräumiges Büro mit Bücherregalen aus Zedernholz, die vom Boden bis zur Decke reichten. Durch die Bogenfenster sah man die bewaldeten Hügel, eine Scheune tief unten im Tal und eine Weide, auf der zahlreiche Appaloosas und Quarter Horses standen.
Die Wände hingen voller gerahmter Buchbesprechungen, allesamt hämische Verrisse seiner Werke. In der Mitte befand sich ein amtliches Formular, ausgestellt vom Zensor des Texas State Prison in Huntsville, in dem festgestellt wurde, dass Girards neuester Roman in sämtlichen Strafvollzugsanstalten des Staates Texas verboten war, weil in den Dialogen rassistische und unflätige Ausdrücke vorkämen und die Achtung vor der Staatsgewalt und ihren Amtsträgern untergraben würde.
Der Häftling, bei dem man Girards Roman konfisziert hatte, saß im Ellis-Block und wartete auf seine Hinrichtung.
Auf den Regalen über Girards Schreibtisch standen seine beiden Edgars, Keramikbüsten von Edgar Allan Poe, und daneben lagen seine Sammlungen aus Pfeilspitzen und Tonscherben sowie oxidierte Bleikugeln vom Kaliber .58, so genannte Miniekugeln, und rostige Schrapnells.
»Das ist Munition aus dem Bürgerkrieg«, sagte ich. »Haben Sie die in Louisiana ausgegraben?«
Aber er achtete nicht auf mich. Ich meinte Stimmen durch die Wand oder vielleicht auch die Decke zu hören.
»Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte er.
»Niemand hat Sie wegen des Mordes an Lamar Ellison im Verdacht«, erwiderte ich.
»Sie etwa?«
»Kurz bevor ihn jemand abgefackelt hat, hat er Ihren Wagen beschädigt und Sie zusammengeschlagen.«
»Möchten Sie was trinken?«
»Nein.«
»Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ich Ellison umgebracht habe, oder?«, fragte er.
»Vermutlich nicht.«
»Warum sind Sie dann hier, Mr. Holland?«
»Der Sheriff beschäftigt sich irgendwie mit Ihnen und Mrs. Girard. Ich weiß bloß nicht, warum.«
»Wenn das alles ist, sollte ich lieber zusehen, dass ich ein paar Seiten für meinen Lektor fertig kriege«, sagte er.
Ich hörte einen dumpfen Schlag, als ob irgendwo ein Bett an die Wand stieß, und eine Frauenstimme, die sich zu einem mühsam unterdrückten Schrei steigerte. Ich spürte, wie sich die Haut um mein Gesicht spannte. Xavier blickte zur Decke empor.
»Wollten Sie irgendwas sagen?«, fragte Girard.
»Nein, eigentlich nicht.«
»Die Menschen pflegen unterschiedliche Beziehungen zueinander, Mr. Holland. Was nicht heißt, das eine besser ist als die andere.«
Ich nickte mit abgewandtem Blick.
»Ich finde selber raus. Danke, dass Sie sich die Zeit für mich genommen haben«, sagte ich.
»Tut mir Leid. Sieht so aus, als ob Sie der Gärtner eingeklemmt hat. Ich suche ihn. Er ist irgendwo da draußen.«
So musste ich zehn Minuten warten, bis der Gärtner seinen Wagen wegfuhr. Aber wenigstens war aus dem Obergeschoss kein Laut mehr zu hören. Als ich vor der Garage wendete, kam Nicki Molinari barfuß aus der Haustür, lief auf meinen Pick-up zu und winkte mir. Die nassen Haare hingen ihm auf den Hemdkragen.
»Was gibt’s?«, sagte ich.
»Tun Sie nicht so hochnäsig. Sie haben keine Ahnung,
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