Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
gerollt.« Nicki lächelte und schaute mich mit seinen dunkel flackernden Augen an.
»Worauf wollen Sie hinaus?«
»Jeder ist für eine bestimmte Aufgabe gut. Wenn man die richtigen Leute auf die richtige Aufgabe ansetzt, springt für alle was raus. Helfen Sie mir, Mann. Ich will Cleos Schulden nicht abtreten.«
»Abtreten?«
Er warf mir einen Blick zu. »Sind Sie sicher, dass Sie bei der Regierung waren? Yeah, abtreten. Billig abstoßen, für zwanzig Cent pro Dollar. Aber die Typen, die die Schulden kaufen, sind nicht wie ich. Die treiben alle Außenstände ein, mit Zins und Zinseszins. Soll ich’s Ihnen genauer ausmalen? Stellen Sie sich Typen vor, die eine Blechschere im Handschuhfach haben.«
Ich ließ ihn stehen und stieg in meinen Pick-up. Der Baseballplatz war grün, Staub trieb über die Bases und die Laufwege, das Außenfeld war von Pappeln und Espen gesäumt, hinter denen der Fluss lag. Hoch über allem saßen Xavier und Holly Girard, zwei Künstler, die ein Zweckbündnis mit einem ehemaligen Sträfling und Kriegsveteranen eingegangen waren, der mitten in einer idyllischen Umgebung Baseball spielte und möglicherweise den Hmong-Stämmen in Laos beim Opiumanbau geholfen hatte.
Was hatte doch der Sheriff gesagt? Irgendetwas in der Richtung, dass die Rolle, die die meisten Leute in der Öffentlichkeit abgaben, pure Augenwischerei war. Ich fragte mich, obman ihm nicht einen Lehrstuhl an der Universität überlassen sollte.
Ich kaufte in einem Feinkostladen eine Baguette, Käse und Bratenaufschnitt und holte Temple beim Fitnessstudio im Hellgate Canyon ab, wo sie inzwischen täglich trainierte. Wir fuhren zu einem Picknickplatz in einem Zedernwäldchen am Fluss, wo ich auf einem Holztisch das Mittagessen für uns zurechtmachte, während sie in ihren Notizbüchern und Aktenordnern herumblätterte und die Abschriften sämtlicher auf Band mitgeschnittener Gespräche durchging, die sie mit allen geführt hatte, die ihrer Ansicht nach etwas mit dem Mord an Lamar Ellison zu tun haben könnten.
»Ich habe mit Sue Lynn Big Medicine gesprochen«, sagte sie.
»Ja?«
»Sie war in dem Saloon oben am Blackfoot mit Lamar Ellison zusammen, kurz bevor er umgebracht wurde. Sie verheimlicht irgendetwas.« Temple hatte sich nach dem Training nicht umgezogen. Sie trug hochgekrempelte rosa Shorts und ein graues Trägerhemd, raffte ständig mit einer Hand die Haare aus dem Nacken und schob sie auf den Kopf, während sie in ihren Aufzeichnungen herumblätterte.
»Was verheimlicht sie?«
»Folgendes hat sie mir erzählt: ›Lamar hat immer einen Blackout, wenn er gekifft und Alkohol getrunken hat. Fragen Sie mich nicht, was er gesagt hat. Er hat immer sinnloses Zeug geredet, wenn er stoned war.‹
Daraufhin hab ich sie gefragt, warum sie überhaupt erwähnt hat, dass Lamar einen Blackout hatte. Und sie sagt: ›Weil Sie wissen wollten, worüber er geredet hat, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Ich will Ihnen bloß klar machen,dass ich nicht weiß, worüber er geredet hat. Was erwarten Sie denn von einem Typ, der Scheiße im Hirn hatte, selbst wenn er nüchtern war?‹«
»Darf ich den Ordner sehen, den du über sie angelegt hast?«
Was Ermittlungen und Recherchen anging, war Temple einmalig. Wenn es irgend möglich war, schnitt sie alle Gespräche auf Band mit. Dann schrieb sie die Aufzeichnungen ab und ging die Aussagen der betreffenden Person durch, achtete auf Abschweifungen und Ausflüchte und markierte bestimmte Sätze und Formulierungen, die ein gewisses Muster ergaben.
Sie stellte nie eine Frage, die nur mit ja oder nein beantwortet werden konnte, sodass sich der Gesprächspartner, falls er nicht die Wahrheit sagte, eine entsprechende Umschreibung ausdenken musste, mit der er den Fragesteller in die Irre führen konnte. Für gewöhnlich wandte der Befragte dann kurz den Blick ab. Wenn es sich bei dem Betreffenden jedoch um einen notorischen Lügner handelte, zuckte er nicht mit der Wimper, sondern beugte sich aufgebracht vor und schlug einen aggressiven, selbstgerechten Tonfall an.
Temple behauptete, die erste Antwort eines Verdächtigen sei immer am aufschlussreichsten, selbst wenn der Betreffende log. Sie sagte, Hauptwörter träfen immer den Kern der Sache, während Adjektive und Adverbien auf Ablenkungsmanöver hindeuteten. Ehrliche Menschen ergingen sich manchmal in Selbstvorwürfen und fühlten sich verantwortlich für die Missetaten, die ihnen andere zugefügt hatten. Psychopathen hingegen, denen
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