Die Glut
meinem besten Freund betrogen hat? Du sprichst diese traurige und niederträchtige Wahrheit aus, gestehst alles, erzählst genau, wie es angefangen hat, was für eine Art Neid und Eifersucht, Angst und Trauer euch einander in die Arme trieb, was du fühltest, wenn du sie umarmtest, welche Rache- und Schuldgefühle in diesen Jahren Krisztinas Körper und Seele bewohnten ... Aber was hätte das für einen Wert? Am Ende wird alles ganz einfach, alles, was war und was hätte sein können. Nicht einmal Staub und Asche ist das, was einmal war. Das, was unser Herz so brennen ließ, dass wir meinten sterben oder jemanden umbringen zu müssen - denn auch ich kenne dieses Gefühl, auch ich habe das Gefühl der letzten Heimsuchung kennengelernt, kurz nach deinem Weggang, als ich mit Krisztina allein zurückblieb -, das alles ist weniger als der Staub, den der Wind über die Friedhöfe treibt. Es ist schmachvoll und sinnlos, es auch nur zu erwähnen. Und ich weiß es ja sowieso, weiß es so genau, als hätte ich die Einzelheiten in einem Polizeirapport gelesen. Ich könnte dir das Prozessmaterial aufsagen wie ein Anwalt bei der Hauptverhandlung: und dann? Was soll ich mit dieser billigen Wahrheit, mit dem Geheimnis eines Körpers, den es nicht mehr gibt? Was ist Treue, was erwarteten wir von der Frau, die wir liebten? Ich bin alt, auch darüber habe ich viel nachgedacht. Ist die Treue nicht ein entsetzlicher Egoismus, und auch eitel, so wie die meisten Belange eines Menschenlebens? Wenn wir Treue fordern, wollen wir dann das Glück des anderen? Und wenn er in der subtilen Gefangenschaft der Treue nicht glücklich sein kann, lieben wir ihn dann wirklich, wenn wir trotzdem Treue von ihm fordern? Und wenn wir ihn nicht so lieben, dass er glücklich ist, dürfen wir dann irgend etwas von ihm verlangen, Treue oder sonst ein Opfer? Jetzt, am Ende meines Lebens, würde ich es nicht mehr wagen, diese Fragen so eindeutig zu beantworten, wie ich es vor einundvierzig Jahren getan hätte - vor einundvierzig Jahren, als mich Krisztina in deiner Wohnung zurückließ, wo sie vor mir schon oft gewesen war, wo du alles zusammengetragen hattest, um Krisztina zu empfangen, wo zwei Menschen, die mir nahestanden, mich so schmachvoll, so stillos und, ja, jetzt empfinde ich das, so banal verraten und betrogen haben. Denn das ist geschehen«, sagt er beiläufig, fast schon gleichgültig und gelangweilt. »Und was die Menschen ›Betrug‹ nennen, das traurige, banale Aufbegehren eines Körpers gegen eine Situation und eine Drittperson, ist im Rückblick beängstigend gleichgültig - ja fast schon mitleiderregend wie ein Missverständnis oder ein Unfall. Damals verstand ich das noch nicht. Ich stand in der geheimen Wohnung, als nähme ich die Indizien eines Verbrechens in Augenschein, ich starrte auf die Möbel, das französische Bett ... Ja, wenn man jung ist, und die eigene Frau betrügt einen mit dem einzigen Freund, der einem nähersteht als ein Bruder, hat man natürlich das Gefühl, die Welt um einen herum sei zusammengebrochen. Es geht nicht anders, man empfindet das so, denn die Eifersucht, die Enttäuschung, die Eitelkeit können ungeheuer weh tun. Doch das vergeht ... Es vergeht, unbegreiflicherweise und nicht von einem Tag auf den anderen, nein, noch Jahre danach lässt der Zorn nicht locker und am Ende ist es doch vorbei, genauso wie das Leben. Ich ging ins Schloss zurück, in mein Zimmer, und wartete auf Krisztina. Ich wartete, um sie zu töten oder damit sie die Wahrheit sage und ich verzeihen könnte ... Jedenfalls wartete ich. Bis zum Abend; dann ging ich ins Jagdhaus, denn sie war nicht gekommen. Was vielleicht kindisch war ... Jetzt, im Nachhinein, wenn ich über mich und andere urteilen will, sehe ich diesen Hochmut, dieses Warten, dieses Weggehen als etwas Kindisches. Aber so ist man, siehst du, und weder mit Vernunft noch mit Hilfe der Erfahrung kann man viel gegen die eigene Natur und ihre hartnäckigen Vorstellungen tun. Auch du weißt das jetzt. Ich ging ins Jagdhaus, du kennst es ja, nicht weit von hier, und dann sah ich Krisztina acht Jahre lang nicht mehr. Erst als Tote sah ich sie wieder, eines Morgens, als mir Nini ausrichten ließ, ich könne nach Hause kommen, denn sie sei gestorben. Ich wusste, dass sie krank war, und soviel ich weiß, wurde sie von den besten Ärzten behandelt - sie wohnten monatelang hier im Schloss und taten alles, um sie zu retten, so sagten sie es: ›Nach dem heutigen Stand der Medizin haben wir
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