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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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sich der Nebel bereits wieder verdichtet. Die ersten Tropfen fielen, als Kajetan den Schlüssel mit steifen und fahrigen Bewegungen in das Schloß der Haustür steckte. Die eichene Himmelsleiter des alten Hauses knarzte. Die Hausbesitzerin mußte es gehört haben. Sie schob ihr schnabelnasiges Gesicht durch den Türspalt.
    »Grüß Gott! Herr Kajetan! So früh schon auf?«
    Kajetan setzte einen Schritt zurück. Die Krausin, die sich schon für die Frühmesse angekleidet hatte, trat näher. Ihr Lächeln erstarb.
    »Wie schaun denn Sie aus? Haben Sie sich schon im Spiegel angeschaut?«
    Kajetan war erschöpft. Er wollte nur noch schlafen. »Nein, Frau Kraus«, sagte er ergeben.
    »Das tat ich aber machen!« sagte sie angewidert, ».. .und, was ich Ihnen sagen wollt: Zinstag ist heut, gell? Der Juni steht noch allerweil aus, und für den Juli wirds auch Zeit.«
    Kajetan hielt sich am Geländer fest.
    »Des gfallt mir allerweil so an Ihnen, Frau Kraus…!«
    »Gefallen? An mir? Was?« fragte sie ungehalten.
    »Daß Sie allweil so ein empfindsames und verständnisvoll Herz ham.«
    Sie stemmte die Arme in die Hüften.
    »Jetzt werns fei ned frech, gell?« keifte sie. »Mir gefällt auch was an Ihnen! Sie sind mir Überhaupts der Allerliebste in meinem Haus!«
    Kajetan verdrehte müde die Augen.
    »Was habens denn? Ich hab doch bloß gsagt…«
    Sie ließ ihn nicht ausreden.
    »Eine Unverschämtheit ist es des!« kreischte sie. »So was muß ich mir sagen lassen!«
    Er schüttelte den Kopf und stieg einige Stufen höher. »Ich versteh Ihnen nicht, Frau Kraus. Ich versteh gar nichts mehr.«
    »Sie werden mich schon noch verstehen! Sie Saubär, Sie. Nächste Woch sinds draußen. Ich sag dem Burschi Bescheid, der wird Ihnen schon delogiern.«
    Kajetan hatte bereits den nächsten Absatz erreicht. Während er erschöpft stehenblieb und nach dem Zimmerschlüssel kramte, dachte er mit ungutem Gefühl an die Drohung der Alten. Allerdings: Burschi, der Roßknecht beim »Soller« und Pflegesohn der Hausbesitzerin, konnte mehr als lästig werden. Eigentlich ein durchaus umgänglicher Mensch, würde sich Burschi wie immer verständig nickend auf Diskussionen einlassen. Dann aber, wenn das ihm Angetragene über seine Geisteskraft ginge - was, nebenbei bemerkt, jeweils nicht lange dauerte -, würde er einfach zuschlagen, gemütvoll wie ein Metzgersgeselle und unberührt davon, ob dabei etwas vor Schmerz brüllen, brechen und knacken würde. Auch wenn Kajetan ihn, den um fast zwei Köpfe größeren, beim ersten Mal abwehren könnte - Burschi würde immer wieder kommen. Kajetan wußte, daß er eine längere körperliche Auseinandersetzung mit Burschi nicht durchstehen würde. Aber vielleicht konnte er ihn dazu überreden, ihm noch ein paar Tage zu geben?
    »Warum ist alles so verdreht und wird immer verdrehter?« dachte er. Man kriegt nicht, was man braucht. Dafür aber das, was man überhaupt nicht brauchen kann.
    Eine Kakerlake huschte in das Dunkel hinter der Fußbodenleiste.
     
     
    Aufseher Bletz sah auf die Uhr, die über der Tür des Wärterzimmers des Ödstädter Zuchthauses befestigt war. Es war kurz vor Mitternacht.
    »Daß die Zeit heut gar so dahinkriecht«, klagte er mürrisch. Sein Kollege gähnte.
    »Den Leut in deinem Alter kanns doch nicht langsam genug vergehen«, stichelte er boshaft.
    »Von mir aus könnt sie sich derrennen, das kannst mir glauben, Feichtl.«
    Der Angesprochene maß seinen Kollegen mit einem müden Blick.
    »Ein melancholischer Mensch wie du ist falsch da herinn, Bletz, laß es dir gesagt sein.«
    »Gib eine Ruh«, sagte Bletz, »was weißt denn du, Feichtl? Nichts weißt.«
    »Geh zu. Pfeifen doch die Maus aus den Löchern.«
    »Du sollst eine Ruh geben, hab ich gesagt.«
    Feichtl hob abwehrend die Hand. »Ich hör ja schon auf«, lenkte er ein.
    »… Habts denn schon wieder?« brabbelte Wimmer schlaftrunken und richtete sich auf.
    »Geht dich nichts an«, knurrte Bletz. »Rieht dich lieber zsamm. Es ist Zeit für den Gang.«
    »Kann mir eh denken, was dich so fuchst.«
    »Laßts mir meine Ruh.« Bletz hatte wieder einen Blick auf die Uhr geworfen. Er stand auf, nahm seinen Uniformrock vom Haken und zog ihn an.
    »Ihr seids auf dem Holzweg«, sagte er und griff zu Gürtel und Mütze. Feichtl sah neugierig an ihm hoch.
    »Daß dich der Direktor wieder angeschissen hat, stimmts?«
    Bletz nickte wütend. »Der Pfarrer hat sich über mich beschwert, weil ich dem auf Achtzehn seinen Antrag verschmissen

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