Die Godin
Lassens schaun!« Er zog den Koffer zu sich. »Des da schon eher - die Knöpf da, die Manschettenknopf und den Kragenknopf. Zwei Mark für alle drei.« Kajetan schluckte. Der Angestellte kramte weiter, zog ein Kästchen hervor und öffnete es interessiert. »Na also. Da war ja der Hausschatz. Eine Deckeluhr, eine Brosche und ein - was ist das?«
»Ein Reliquienumhänger.«
»So was.«
Der Pfandleiher schüttelte den Kopf, griff nach der Uhr, drehte am Aufzug, hielt sie sich ans Ohr und nickte. Dann klappte er den Deckel zurück.
»Passables Stückl«, bemerkte er mit verhohlener Anerkennung, »italienisches Fabrikat.« Er schob die drei Stücke nebeneinander auf die verkratzte Tischplatte und wiegte den Kopf.
»Fünfundzwanzig Mark. Für alles miteinander.«
Kajetan glotzte ihn an. Dann sah er auf den Tisch. Die Uhr hatte ihm sein Vater vermacht. Die Brosche war ein Andenken an seine Mutter, die wiederum hatte es von ihrem Mann geschenkt bekommen. Die Kette, an der ein winziges ovales Metallkästchen mit einer Gravur des Heiligen Sebastian hing, war über Generationen weitervererbt worden. Er schüttelte ungläubig den Kopf.
»Also?« drängte der Pfandleiher. »Sehns nicht, daß da schon andere warten? Fünfundzwanzig Mark.«
Kajetan schüttelte den Kopf und nahm die Schmuckstücke zu sich.
»Für deppert verkaufen kann ich mich selber«, sagte er verärgert. Er klappte den Deckel zu, zog den Koffer von der Tischplatte und wandte sich zur Tür.
»Auf Wiederschaun!«
»Gehns nur zu. Meinst wohl, woanders gibts mehr für das Glump?« Kajetan griff zur Türklinke.
»Dreißig Mark«, sagte der Angestellte. Kajetan drehte sich überrascht um.
»Dreißig«, wiederholte der Angestellte gnädig, »weils Sie sind. Aber mit dem Radio.«
»Sechzig. Die Sachen sind dann immer noch doppelt soviel wert.«
»Mag schon sein. Aber brauchen Sie ein Geld oder ich? - Sehns. Dreißig Mark und Schluß. Tun Sies her, bevor ichs mir anders überleg.« Er streckte die Hand aus. »Das Graffei bleibt sechs Monate da, danach wirds versteigert.«
Kajetan überlegte. Dreißig Mark… die Summe würde für die Anzahlung bei Brettschneider und für gute drei Wochen Essen reichen.
»Einverstanden«, sagte er und legte den Koffer wieder auf den Tisch zurück, »fünfzig.«
Der Angestellte wischte mit der Handkante über den Tisch. »Sie sollten einmal zum Doktor gehen«, sagte er kalt.
»Wieso?«
»Weil Sies an den Ohrwascheln haben, Und jetzt schaun wir mal, ob Sies auch an den Augen haben.« Er hob die Hand und streckte den Zeigefinger. »Schauns einmal dahin. Was sehns da? Richtig, die Tür.«
Er winkte. Eine zierliche, sorgfältig frisierte Frau in einem dunklen Mantel, die einen Karton vor ihrer Brust hielt, stand auf.
»Hat der es jetzt endlich?« bemerkte sie bissig in Kajetans Richtung, als sie an den Tisch trat.
Der Angestellte öffnete gleichmütig den Karton. »Mei«, sagte er mild und sah nicht auf, als die Tür knallend zufiel, »der wirds auch noch lernen…«
Wie er es erwartet hatte, nahm er am Abend des gleichen Tages das Schmuckkästchen und das Radio in Empfang, öffnete gönnerhaft die Schublade und zählte das Geld auf die Tischplatte. »Fünfundzwanzig. Wir sind ja keine Unmenschen, nedwahr.«
Kajetan wußte, daß er den Mund zu halten hatte. Stumm nahm er das Geld in Empfang und verließ das Pfandhaus.
Es hatte gerade noch geklappt. Kajetan atmete erleichtert aus, als er seine Gepäckstücke auf den Boden stellte. Die alte Krausin hatte ihm zwar bereits vor zwei Tagen den Zimmerschlüssel abgenommen, damit er sich nicht, ohne die restliche Miete bezahlt zu haben, davonmachen konnte, jedoch nicht damit gerechnet, daß das Öffnen eines Türschlosses für einen ehemaligen Polizisten ein Leichtes war. Zu achten war lediglich darauf, daß die Hausbesitzerin auch tatsächlich in die Abendandacht gegangen war und der grobe Brauknecht bereits an der Schänke des »Soller« zu tun hatte.
Der Pensionsbesitzer, der den Kopf aus der Tür zu seiner Kammer streckte, machte einen erschöpften Eindruck.
»Ach, Sie«, sagte er mißgelaunt, »habens das Geld dabei?«
Kajetan nickte und griff in seine Tasche.
»Da, schauns.« Er legte die Geldstücke auf den Empfangstresen. Brettschneider sah darauf, hob den Kopf und zog die Oberlippe schniefend hoch.
»Seh ich. Die Anzahlung. Und?«
»Und… was?«
»Die Miete für den August? Zehn Mark waren ausgemacht!« Kajetan sah ihn entgeistert an.
»Oder wollens
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