Die Godin
Auftrag zu ihm kam, bereits überwunden. Er schüttelte seinen kahlen Kopf und senkte seinen Blick wieder auf ein Blatt Papier, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag.
»Ich hab meine Leut bereits. Kosten mich genug«, sagte er in geschäftsmäßigem Ton. »Auf Wiederschaun.«
Kajetan bemühte sich, seine Bestürzung nicht zu verraten. Er stand auf und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um und zwang sich zu einem überlegenen Lächeln.
»Da wünsch ich Ihnen, daß Sie auch gute ham.«
Die lederige Stirn des alten Detektivs runzelte sich. »Was?«
»Gute Leut.«
»Tuts schon«, antwortete der Detektiv unwillig. »Ein Angeber zu sein, langt auf jeden Fall noch nicht.«
»Ich weiß bloß, was ich wert bin.«
»Ah? Und das war jetzt was?« Fleischhauer wunderte sich, daß er sich auf dieses Gespräch einließ. »Mit Berufserfahrung schauts doch bei Ihnen aus wie im Badwanndl ohne Wasser. Solche wie Sie wehts alle daumlang zu mir herein. Da werden ein paar Kriminalhefterl gelesen und schon meint ein jeder, er könnt bei mir den Pinkerton abgeben. Und daß Sie so herumgetan haben, wie ich Sie nach Ihrer früheren Arbeit gefragt hab, hat mir auch nicht gefallen. Also - wieso meinens, daß ich einen wie Sie unbedingt brauchen tat?«
»Weil ich…«, Kajetan räusperte sich, »… bei der Polizei gewesen bin.«
Fleischhauer stutzte. Er tippte sich an die Stirn. »Ausgerechnet das soll eine Referenz sein?« Er verzog das Gesicht zu einem verächtlichen Grinsen. »Sehr spaßig!«
Kajetan setzte seinen Hut auf, drückte die Klinke nach unten und wollte wortlos gehen.
»Hab ja gsagt, daß Sie nichts taugen!« Kajetan wandte sich fragend um.
»Ein guter Detektiv darf nicht so schnell eingeschnappt sein«, tadelte Fleischhauer. »Schauns nicht wie der Spatz, wenns blitzt. Tuns mir Ihre Adresse her. Aber - verlassens Ihnen nicht drauf! Habens gehört?«
Kajetan starrte ihn noch immer an.
»Sie sollen nicht so deppert schauen. Sie derbarmen mich halt.«
»Was… tu ich Ihnen?« fragte Kajetan ungläubig.
Der Detektiv stöhnte auf. »Nicht einmal einen Spaß versteht er! Armes Vaterland! Ein Kreuz ist das heutzutag«, sagte er mit gespielter Verzweiflung. Er wurde ernst. »Hörens zu: Wieso Sie aufgehört haben oder wieso man Sie rausgeschmissen hat, ist mir egal. Wie ein Verbrecher schauns schließlich nicht aus, und ich selbst täts, unter uns gesagt, keine halbe Stund bei der Bagage aushalten. Nein - vielleicht kann ich Sie tatsächlich einmal brauchen. Aber nicht heut, und gewiß auch noch nicht morgen. Wann und ob überhaupt, weiß ich erst recht nicht. Unterstehens Ihnen also, noch einmal bei mir aufzukreuzen, bevor ich es Ihnen ausdrücklich angeschafft hab. Und jetzt - her mit der Adreß! Bevor ichs mir anders überleg. Ich mag Leut nicht, die mir die Zeit stehlen.«
Kajetan befand sich bereits auf der Straße, als der Detektiv seine Notizen beendet hatte und sich im Sessel zurücklehnte. Mit ärgerlicher Miene dachte er an das Treffen, das er an diesem Morgen gehabt hatte: Er hätte ablehnen müssen.
Der Zug aus Ödstadt war kaum mit durchdringendem Kreischen zum Stehen gekommen, da hatten sich die Türen der Passagierwaggons schon geöffnet und Knäuel von Reisenden ausgespien. Auf dem Bahnsteig des Ostbahnhofs löste sich die Menge und floß durch den Wartesaal auf den Vorplatz. Parapluies öffneten sich, Droschkentüren flogen krachend zu, Tauben flatterten gurrend hoch.
Nach einigen Minuten war der Bahnsteig wieder nahezu menschenleer. Bis auf zwei Menschen, die sich gegenüberstanden und nach Worten rangen. Der Detektiv hob grüßend den Hut. Verärgert bemerkte er, daß seine Hand zitterte. Was sollte er sagen? Nach all den Jahren? Wie viele mochten es sein? Dreißig, vierzig?
Er wisse schon, begann er, daß sich das saudumm anhöre, aber etwas anderes fiele ihm nicht ein und, bei seiner Seel, es würde stimmen: Sie sei immer noch ein schönes Weib.
Ein strafender Blick traf ihn. Das sei, sagte die bäuerisch gekleidete Frau, wohl eine rechte Lüge, aber für ihn, da träfe es wohl zu. Noch immer sei er das stattliche Mannsbild, beinah so, wie sie ihn in Erinnerung habe.
Fleischhauer wehrte verlegen ab. Eine unbehagliche Pause entstand.
Er faßte an ihren Arm und umarmte sie behutsam. Wir zwei alten Rindviecher, lächelte er gerührt. Sie wäre allerdings alt geworden, flüsterte sie an seine Wange, er nicht.
Sein Herz pochte plötzlich heftiger. Jäh drückte er sie an sich
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