Die Godin
brannte. »Franziska!« kreischte die gnädige Frau. »Bringen Sie diesen… diesen Zuhälter hinaus!«
Kajetan trat heftig auf sie zu. Erschrocken wich sie zurück.
»Richtig«, sagte er scharf, »deshalb kann ich auch sagen, daß jede Hure mehr Anstand hat als du.«
Sie stöhnte auf und tastete nach der Lehne ihres Sessels.
Kajetan hatte ihr Keifen noch in den Ohren, als er bereits wieder auf dem Weg in die Innenstadt war. Er drückte sein Gesicht an die Scheiben des Tramwaggons und suchte die Turmuhr der Giesinger Pfarrkirche.
Erleichtert lehnte er sich zurück. Er würde rechtzeitig ankommen.
Zielstrebig betrat Kajetan das Weinhaus am Platzl und sah sich um. Alle Tische im vorderen Teil der weitläufigen Gaststätte waren besetzt. Dichter Tabakrauch stand über den Tischen. Bald hatte er entdeckt, wonach er suchte. Doktor Sobczaks weißer Haarkranz leuchtete einsam über einem Tisch im hinteren Teil des geräumigen Lokals. Er saß mit dem Rücken zum Eingang. Kajetan trat auf ihn zu.
»Ja so was!« sagte er erfreut, »Sie sinds? Der Herr Doktor. So ein Zufall.«
Sobczak sah ihn aus den Augenwinkeln an.
»So ein Zufall, ja«, sagte er bissig.
»Gut schauens aus, Herr Doktor!« Kajetan grinste liebenswürdig.
»Tuns nicht rumschwafeln, Sie falscher Hund«, knurrte Sobczak, »ich weiß genau, worauf Sie hinausmöchten.«
Kajetan wollte widersprechen, doch der Mediziner schnitt ihm mit einer ärgerlichen Handbewegung das Wort ab.
»Haltens den Mund«, sagte er unwirsch und starrte auf sein Weinglas, »… natürlich hab ich es getan.«
»Und?!« Kajetan saß bereits neben ihm.
Sobczak sah sich mit einer raschen Kopfbewegung um und beugte sich zu Kajetan. Sein Gesichtsausdruck hatte sich verändert.
»Sie haben recht gehabt«, flüsterte er mit verschwörerischer Stimme, »das Kokain muß gestreckt gewesen sein. Die Menge hätte nie ausgereicht, um sie umzubringen.«
Kajetan beugte sich näher. Sein Herz schlug heftig. »Gestreckt? Mit was?«
»Das hab ich nicht mehr so genau feststellen können. Vermutlich Amphetamine. Ich hab auch noch den Doktor gefragt, der sie ins Krankenhaus gebracht hat! Alles weist darauf hin: die Kreislaufkrisis, der Blutüberdruck, die Erstickungssymptome, der Herzstillstand.« Er nahm einen Schluck aus dem Weinglas und verzog den Mund.
Kajetan nickt heftig. »Sehens!« platzte es aus ihm heraus.
»Nichts seh ich!« fuhr Sobczak auf. Doch gleich senkte er wieder seine Stimme. »Das sagt nämlich nichts, aber auch gar nichts darüber aus, ob es Selbstmord oder Mord gewesen ist. Oder einfach Blödheit. Sie war nicht die einzige, die gleich mehr von dem Dreck übereinander nimmt.«
Kajetans Augen wanderten ratlos über das Gesicht des Mediziners. Dann senkte er den Kopf. Der Doktor hatte recht.
»Trotzdem ist da was faul«, sagte der Mediziner gepreßt.
»Sie meinen…«
»Nichts mein ich. Keiner wird mehr etwas nachweisen können. Wenn ich das sag, ist das reine Erfahrung.«
»Wie…?«
Sobczak sah ihn ungehalten an. »Ganz einfach!« erklärte er. »Das ist früher jedesmal so gewesen: Wenn der Kajetan einen auf was ansetzt, dann ist auch was dahinter. - Und jetzt lassens mir meine Ruh, verstanden?«
Kajetan stand verdutzt auf und hob seine Hand zu einem angedeuteten militärischen Gruß. Als er sich abwendete, sah er noch, wie ihm Sobczak mit einem verstohlen anerkennenden Lächeln nachsah.
Er ging zum Ausgang und öffnete die Türe. Plötzlich stutzte er. Er wandte sich um und ließ seinen Blick unauffällig durch den Raum wandern. Dann war er sich sicher. >So ist das also<, dachte er grimmig.
Henning von Seeberg beachtete nicht, wer hinter seinem Rücken Platz genommen hatte. Er griff nach der Hand des hübschen, dunkelhaarigen Mädchens und lächelte sie an. Sie ließ es geschehen. Er zog sie zu sich heran und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie kicherte kokett.
Kajetan gab dem Ober ein Zeichen und bestellte ein Glas Wein. Verstohlen beobachtete er das Mädchen. An ihren gezierten Bewegungen erkannte er, daß sie aus gutem Hause sein mußte. Verliebt beäugte sie ihren Galan.
Der Student hatte sich also bereits neu orientiert. Die brave Nilla hielt er sich wohl nur für gelegentliche Notstände. Oder er hatte einfach nicht den Mut, ihr seine Entscheidung mitzuteilen.
Der Ober stellte das Weinglas auf den Tisch. Kajetan hob es und wandte sich zu seinem Nachbarn. »Zum Wohl, die Herrschaften!« sagte er freundlich.
Der junge Mann drehte sich um und
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