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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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haben, muß das bestimmt eine herbe Enttäuschung gewesen sein.«
    Ein leidender Blick streifte ihn.
    »Sie haben recht. Sie hat uns sehr, sehr enttäuscht. Wir… ich hatte mich nach dem Tode meines Mannes neu vermählt. Mein jetziger Gatte hatte eigene Vorstellungen davon, wie Mia zu erziehen sei. Sie müssen wissen, daß er einen äußerst verantwortungsvollen Posten am Landesgericht eingenommen hatte und gewisse Dinge nicht akzeptieren konnte. Sie hingegen hatte sich zu einem trotzigen Wesen entwickelt. Es kam schließlich zu…«, sie schniefte, »sehr häßlichen Szenen.«
    »Unter denen vor allem Sie zu leiden hatten!« sagte Kajetan teilnahmsvoll. »Sprechen Sie sich aus, gnädige Frau. Welche Dinge waren es eigentlich, die Ihr Mann nicht akzeptieren konnte?«
    Sie tupfte mit einer gezierten Bewegung ihre Lider ab.
    »Nun, Mia stammte aus einer Familie, die… welche nicht unserem Stand entsprach. Meinem früheren Gatten hatte das nichts ausgemacht - und ich, ich sehnte mich damals unendlich nach einem Kind. Als wir durch einen Bekannten meiner Eltern zufällig vom traurigen Schicksal dieses Kindes erfuhren, war mein damaliger Gatte sofort dazu bereit, es aufzunehmen. Doch Rudolf… ich meine, mein jetziger Gemahl, ist der festen Überzeugung, daß es nicht Erziehung ist, die den Menschen formt, sondern gewisse erbliche Anlagen. Nach seiner Auffassung wäre es für seine Karriere nicht eben förderlich gewesen, mit einem Abkömmling aus niederen Kreisen in Gesellschaft zu reüssieren. Ich hatte dafür Verständnis, aber auch Mitleid mit dem Kinde. Sie konnte ja nichts dafür.«
    »Ich verstehe. Sie standen dazwischen. Das belastet gewiß auch die Ehe.«
    Sie nickte schmerzvoll. »Ich versuchte zu vermitteln. Aber mein Gatte stellte mich schließlich vor die Entscheidung. So mußte ich zustimmen, daß sie in dieses Heim eingewiesen wurde. Ich mußte, verstehen Sie?«
    »Natürlich. Sie müssen sich nicht entschuldigen, ich verstehe Sie vollkommen.«
    Ein mattes Rot schimmerte durch die kreidige Haut ihrer Wangen. »Entschuldigen? Wie kommen Sie darauf, daß ich mich entschuldigen möchte? Muß ich das?«
    »Sie mißverstehen mich…«
    Ihre Augen blitzten erregt. »… Das muß ich nämlich durchaus nicht! Alles hätte Mia von uns haben können, wenn sie sich nur gefügt hätte. Aber es wurde mir nicht gedankt, daß ich versucht habe, ihr zur Seite zu stehen.«
    »Jaja, Undank ist…«
    Sie schien besänftigt. »Verzeihen Sie«, lächelte sie angestrengt, »lassen wir das Vergangene. Es ging um ihren Nachlaß, sagten Sie. Soweit ich das beurteilen kann, steht er uns zu, nicht wahr?«
    Kajetan erwiderte ihr Lächeln nicht.
    »Warum sind Sie nicht auf ihrer Beerdigung gewesen?«
    »Ich hatte die Absicht. Doch mein Mann zeigte sich nicht sehr erfreut darüber.«
    »Nicht erfreut. Verstehe…«
    Sie spielte nervös mit den Fingern.
    »Wo ist Mia eigentlich geboren?« fragte Kajetan.
    »In Sarzhofen. Es ist etwa 60 Kilometer im Nordosten. Ein erbärmliches, schmutziges Nest…«
    Kajetan unterbrach sie. »Ich weiß, wo Sarzhofen liegt. Sie war vor ihrem Tod dort und ist völlig erschüttert zurückgekommen. Wissen Sie, was sie dort erfahren haben könnte?«
    »Ich weiß nicht«, deutete sie an, »vermutlich etwas, was mit ihrer Herkunft zu tun hat. Und jetzt, Herr Kajetan, möchte ich Ihnen sagen, daß mir Ihr Ton nicht mehr zusagt. Bitte teilen Sie mir mit, mit welchem Nachlaß welcher Art und welchen Umfangs wir zu rechnen haben. Es muß sich um eine größere Summe handeln, da Sie sonst nicht persönlich gekommen wären.«
    »Es gibt keinen Nachlaß. Ich habe Sie belogen.« Sie richtete sich auf. Ihre Augen funkelten böse. »Sie deuteten an zu wissen, was in Sarzhofen passiert sein könnte?«
    »Durchaus!« Sie stand auf und wies mit einer gebieterischen Handbewegung zur Tür. »Aber ich spreche nicht mehr mit Ihnen. Ich kann mir zwar nicht erklären, was Sie daran interessieren sollte, aber wenn Sie es genau wissen wollen, fahren Sie doch einfach hin. Auf Wiedersehen.«
    Kajetan erhob sich langsam. Ihre Hand, deren Zeigefinger noch immer zum Ausgang zeigte, zitterte.
    »Ich habe auch keine Frage mehr, gnädige Frau. Nur eine Feststellung. Ich nehme an, daß Sie Mia adoptiert haben, weil Sie selbst keine Kinder bekommen können. Die Natur ist manchmal sehr vernünftig, finde ich. Was Sie nämlich gebraucht haben, war lediglich ein Spielzeug. Als es lästig wurde, haben Sie es weggeworfen.«
    Ihr Gesicht

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