Die Godin
maß ihn verwundert. Schließlich hob er mit gezwungener Höflichkeit ebenfalls das Glas und erwiderte den Trinkgruß. Sofort wandte er sich wieder seiner Geliebten zu.
Kajetan genoß den Wein. Er stellte das Glas wieder ab.
»Hamms heut das Fräu’n Schwester dabei, gell?« sagte er mit treuherziger Miene.
Sie unterdrückte ein Kichern.
»Schwester? Wie kommen Sie darauf?« Der Student schüttelte den Kopf und gab mit einem kurzen Blick zu verstehen, daß er sich belästigt fühlte. Er besann sich und grinste herablassend.
»Doch, ja! Das ist mein Fräulein Schwester…« Er drehte sich wieder zu ihr.
Das Mädchen hielt die Hand vor ihren Mund.
»Sehns, das hab ich nämlich gleich gedacht, daß das Ihr Fräu’n Schwester sein muß!« sagte Kajetan in einfältigem Ton. Von Seeberg wurde ungehalten.
»Ich glaube, Sie verwechseln mich«, sagte er.
»Verwechseln, ich?« erwiderte Kajetan in gespielter Empörung. »Ich hab gute Augen, Sie, das dürfens mir glauben!«
»Das freut mich«, gab der Student hochmütig zurück, »aber, wenn ich ganz aufrichtig bin, dann interessiert mich nicht besonders, ob Sie gut sehen oder nicht!«
Kajetan tat, als hätte er es nicht gehört. Er stieß den Studenten mit dem Ellenbogen an und zwinkerte ihm verschwörerisch zu.
»Gehns zu, Herr Nachbar. Sie müssen mich doch kennen.«
»Was ich muß oder nicht muß, überlassen Sie bitte mir. Und jetzt stören Sie uns bitte nicht länger, ja?«
»Ich wohn nämlich auch in Haidhausen!«
Der junge Mann stöhnte ärgerlich auf. Das Mädchen lächelte unsicher. Kajetan bemerkte erfreut, daß die Laune von Seebergs bereits empfindlich gestört war.
»Aber ich nicht«, fauchte der Student. »Sagen Sie, sind Sie betrun…«
»Sie wohnen nicht auf der Wörthstraße? Vis-á-vis von mir, auf der Nummer 49? Da seh ich Sie doch allerweil mit Ihrem Fräulein Braut!«
Der junge Mann lief rot an. Sein Kopf schien zwischen seine Schultern zu sinken.
»Was meint er, Henning? Was redet der Herr da von einer … Braut?« Die Augen des Mädchens hatten sich geweitet. Von Seeberg wich ihrem Blick aus. Zornig fuhr er herum.
»Jetzt lassen Sie uns endlich in Ruhe!« schrie er. Die ersten Gäste drehten sich neugierig um.
»Da brauchens jetzt nicht rot zu werden«, sagte Kajetan verständnisvoll, »habens es Ihrem Fräu’n Schwester wahrscheinlich noch nicht erzählt.« Er beugte sich zu ihr. »Ihr Herr Bruder, Sie, das sag ich Ihnen, Fräu’n, der hat das hübscheste Madl von ganz Haidhausen erwischt! Die Weber Nilla. Wenn da nicht sogar schon was unterwegs ist!«
»Henning…?« hauchte sie ungläubig. Der schüttelte hilflos den Kopf. Sie wandte sich mit einem entschlossenem Ruck an Kajetan. »Er hat… eine Braut, sagen Sie? In Haidhausen?« Ihr Blick glühte vor Verletztheit. »In diesem… diesem Pöbelquartier … auch noch?«
»Sagens nichts gegen Haidhausen!« Kajetan hob in gespielter Empörung den Finger.
»Hat er?« fragte sie bebend.
Mit dümmlichem Grinsen hob Kajetan seine Hand, als wolle er es schwören.
»Das sauberste Madl in ganz Haidhausen! Jawohl! - Aber was regens Ihnen denn so auf, Fräulein? Freuens Ihnen denn nicht, daß Ihr Herr Bruder… Auweh! Jetzt kommt mir was!« Er kratzte sich am Hinterkopf. »Wenn Sie jetzt gar nicht das Fräu’n Schwester sind, dann… Auweh!«
»Halt dein Maul, du Idiot!« zischte der Student gepeinigt.
Sie stand wortlos auf, gab ihm eine damenhafte Ohrfeige und stapfte zornig aus dem Lokal. Die umsitzenden Gäste hatten die Szene verfolgt und lachten erheitert.
»Du… Idiot, du…«, keuchte von Seeberg. Er griff nach seiner Geldbörse.
»Noch so ein Kompliment, und ich schmier dir eine«, sagte Kajetan kühl. Der Student fuhr herum und starrte ihn ungläubig an.
»Wer… wer sind Sie? Was… wollen Sie von mir?«
Kajetan stand auf und winkte dem Ober. »Wer ich bin? Sagen wir einmal, ein guter Freund von der Nilla, der was dagegen hat, daß sie ihr Leben mit einem Windhund wie dir verplempert. Und was ich will, ist, daß du dich nie mehr bei ihr blicken läßt. Wenn ich dich noch einmal bei ihr erwisch, dann…« Er sprach den Satz nicht zu Ende und ging drohend einen Schritt auf von Seeberg zu. Entsetzt zuckte der Student zusammen. Er tastete fahrig nach seiner Jacke, zog sie mit fliegenden Bewegungen an und lief aus dem Lokal.
Der Ober stand bereits seit einiger Zeit neben Kajetan.
»Geht aufs Haus«, sagte er halblaut.
Urban kümmerte sich nicht um die
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