Die Göring-Verschwörung
Entfernung der Startbahn entlangschlendernden Pärchen viel Aufmerksamkeit zu schenken. Bei der großen Zahl von Zivilangestellten in der Versuchsanstalt waren sie offenbar kein völlig ungewohnter Anblick.
Gänzlich unbehelligt betraten sie den verwaisten Hangar. Rasch erklomm Clarson die an der linken Tragfläche nahe des Rumpfes befestigte, kurze Leiter. Von Ariane gespannt beobachtet, löste er die Verschraubung der Glasabdeckung, um sich Zugang zur Pilotenkanzel zu verschaffen.
»Kannst du das fliegen?«
Clarson genügte ein Blick, um zu erkennen, dass die vernünftige Antwort Nein lautete. Diese Maschine stammte aus einem anderen Zeitalter als die Bulldog-Doppeldecker, die den Stand der Technik repräsentiert hatten, als er sich das letzte Mal in einem Pilotensitz angeschnallt hatte. Ohne Instruktion und hinreichend Zeit, um sich mit der Maschine vertraut zu machen, kam ein Fluchtversuch einem Sprung von einer Felsenklippe in unbekanntes Gewässer gleich. »Kein Problem«, erwiderte er.
Das Glück war ihnen bis hierhin hold gewesen und er würde es eben noch eine Weile länger strapazieren müssen. Für Arianes Flugangst war jetzt jedenfalls ein ausgesprochen schlechter Zeitpunkt.
Über die Instrumententafel gebeugt, war er noch dabei sich auszumalen, wie viel Startschub er benötigen würde, als er einen Mann in taubenblauer Fliegeruniform bemerkte, der schräg über die Startbahn auf den Westhangar zulief. Eiligst kletterte er die Stufen der kleinen Leiter wieder hinunter und verbarg sich mit Ariane hinter dem Ausgang in der Rückwand der Halle. Es stand zu hoffen, dass der Soldat wieder verschwinden würde, sobald er feststellte, dass seine Kameraden nicht mehr da waren. Durch den Türspalt spähend, sah er, wie der Mann in den Hangar gerannt kam und sich irritiert umschaute. Nun erst erkannte er Lessing, der sich eine wattierte Pilotenkombination der Luftwaffe über seinen Anzug gestreift hatte.
»Wir müssen uns beeilen, sie werden bald zurückkommen«, schnaufte der Ingenieur, als sie den Hangar wieder betraten.
»Was haben Sie vor?«
»Sie brauchen einen Piloten, der das Flugzeug kennt. Ich werde Sie fliegen. Hier habe ich nichts mehr verloren.«
»Aber …« Clarson musste nicht weitersprechen.
»Das gibt es doch nicht!«, stieß Lessing aus, die aufgerissenen Augen auf den Mittelteil der Kabine gerichtet. »Welcher gottverdammte Idiot hat das unfertige Funkmess einbauen lassen? Zwischen den Sitzen wäre mehr als genug Platz gewesen. Frau Clarson hätte dort bequem ein Nickerchen halten können, bis wir irgendwo auf einer englischen Wiese gelandet wären.«
Die Apparatur blockierte den gesamten Stauraum und an eine Möglichkeit, eine dritte Person an Bord zu nehmen, war nicht zu denken.
»Dann raus damit!«, rief Clarson.
»Dazu fehlt die Zeit. Eine Anlage von diesem Gewicht ist selbstredend auf dem Gerüst verschraubt.«
»Und wenn schon! Sie haben das Luftwaffenpersonal einmal abgelenkt, Sie können es wieder tun.«
Lessing erstarrte, dann schüttelte er schweigend den Kopf. Sein Blick war von den Vorgängen am anderen Ende der Startbahn gefangen genommen. Eine Gruppe von etwa zehn Männern, die meisten von ihnen in schwarzen Uniformen, hatte begonnen, den Haupthangar zu umstellen.
»Sie kommen schneller, als ich gehofft hatte«, schnaubte Clarson, dessen Brummschädel sich plötzlich mit ungekannter Stärke zurückmeldete. Ein Schwindelgefühl ließ ihn Halt an der Wand suchen, während er rasch rückwärts in jenen Teil des Hangars zurückstolperte, der von der Startbahn nicht eingesehen werden konnte.
Ihr Vorrat an Glück war aufgebraucht. Das letzte mögliche Fluchtfenster war eben dabei, sich unwiederbringlich zu schließen. Vielleicht noch zwei Minuten, dann würde der SD bei ihnen sein. Lessing musste fliegen. Es gab gar keine andere Möglichkeit.
»Nehmen Sie meine Frau mit.«
»Ich fliege nicht ohne dich«, rief Ariane. »Auf keinen Fall!«
»Lassen Sie nur«, sagte Lessing nervös. »Es war eine dumme Idee. Ein Moment der Schwäche.« Er wandte sich zum Ausgang in der Hinterwand. »Hals- und Beinbruch für Sie.«
»Sie fliegen Lessing!«, insistierte Clarson. »Ich kann diese moderne, mir völlig fremde Maschine nicht steuern.« Er fasste Ariane am Arm. »Du musst ihn begleiten. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für abwegigen Starrsinn. Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.«
Er wollte Ariane einen Abschiedskuss geben, doch sie wich ihm aus.
»Flieg du mit ihm! Mir
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