Die Göring-Verschwörung
direkter Verbindung stehen«, war Churchill schließlich zur Erläuterung der Details übergegangen. »Ein Mann meines Vertrauens wird Sie kontaktieren und von Zeit zu Zeit ihren Bericht einholen. Versuchen Sie niemals, von sich aus Kontakt aufzunehmen. Diese Mission darf nie, auch später nicht, ans Licht der Öffentlichkeit kommen. Es mag sein, dass der Secret Service in Berlin versuchen wird, sich ebenfalls Ihrer Dienste zu versichern. Gehen Sie auf keinen Fall darauf ein. Es würde nur Ihr Risiko erhöhen, enttarnt zu werden. Sollte Ihre Deckung jemals auffliegen, wird es keine Rettung für Sie geben. Ich würde Sie verleugnen müssen. Dies ist kein Regierungsauftrag; ich bin bloß ein Privatmann. Was Sie tun, tun Sie in eigener Verantwortung für König und Vaterland.«
Beim Abschied hatte Churchill ihm seine tonnenschwere Hand auf die Schulter gelegt und den für ihn typischen pathetischen Ton mit langgezogenen Vokalen angeschlagen, den man nur ihm und keinem anderen abnahm: »Die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen der freien Welt und dem Naziimperium ist unausweichlich und viele der besten Söhne unseres Landes werden ihr Leben geben müssen, um diese Insel zu verteidigen. Sie können dazu beizutragen, dass unser Land vorbereitet sein wird.«
Danach war alles sehr rasch gegangen. Sie hatten Churchill am nächsten Tag ihre Bereitschaft erklärt, die Mission anzunehmen, und einen Zeitplan besprochen. Freunden und Verwandten hatten sie allesamt die gleiche Geschichte von einem neuen Leben in Deutschland vorgegaukelt. Das war das Schwerste gewesen. Im Klub hatten Sie ihn wie einen Aussätzigen angestarrt, dessen Hand je geschüttelt zu haben man bedauerte.
Der Gestank der Zelle war unausstehlich und ließ Clarson hustend gegen aufsteigende Würgereflexe ankämpfen. Da es keine Toilette gab, hatten seine Vorgänger in ihrer Not eine der Ecken wählen müssen. Seine Kehle war bereits wund und die Mundhöhle klebrig vor Trockenheit. Der Ausflug in die Salons der Naziführung gestaltete sich dezidiert anders, als er es sich auf seinen Winterspaziergängen in Hertfordshire ausgemalt hatte.
12
Es war kurz nach Mitternacht und Walther Traube hatte sich schlafen gelegt. Kurz vor Ende seines Spätdienstes hatte die Nachtstreife ein Mordopfer mitsamt blutverschmiertem Tatverdächtigen vor dem Revier abgeladen. Das bedeutete, dass ihm nur wenige Stunden Nachtruhe vergönnt sein würden und sein Wochenende aller Voraussicht nach komplett ruiniert war.
Das Verhör hatte er auf vier Uhr morgens angesetzt. Er mochte seine Methode. Keinem der frisch Inhaftierten gelang es je, Schlaf zu finden, während sie in der feuchten Arrestzelle schmorten. Das bange Warten und die wachsende Müdigkeit kochten den Verdächtigen gewöhnlich weich genug, um die lästige Vernehmungsprozedur erträglich zu halten. Er mochte es nicht, wenn geschlagen wurde. Es war ihm zuwider, auf dem Flur die Schreie zu vernehmen, wenn Kollegen ihre Regimetreue bewiesen oder schlicht ihren Frust herausprügelten. Sein Verfahren war allemal effektiv genug, um den leicht aufkommenden Vorwurf der Dienstaufsicht zu vermeiden, dass seinen Verhörmethoden die nötige Schärfe fehle.
Das Klingeln des Telefons neben dem Bett ließ ihn auffahren. Er tastete nach der Nachttischlampe, setzte seine Brille auf und griff zum Hörer. Seine Frau seufzte, verfluchte den Beruf ihres Mannes und zog die Bettdecke über den Kopf, um weiterzuschlafen. »Ja, bitte?«, gähnte er in die Sprechmuschel.
»Es gibt eine neue Entwicklung im Fall des Messermordes in der Tivoli-Bar, Herr Hauptsturmführer!«
Kommissar Traube war ein Aufsteiger. Der Einfluss der Sozialdemokratie hatte ihm, dem Sohn eines Industriearbeiters, den Wechsel vom einfachen Ordnungspolizisten zum Ermittlungsbeamten der Kriminalpolizei ermöglicht. Seine SPD-Mitgliedschaft hatte ihn dann 1933 um ein Haar seinen Posten gekostet. Lediglich die Protektion seines damaligen Vorgesetzten hatte ihn aus den Fängen der SA gerettet, die in den Tagen nach der Machtübernahme in Horden Jagd auf echte und vermeintliche Gegner des neuen Regimes gemacht hatte. Traube hatte sich in den neuen Verhältnissen eingerichtet und war gar zum Anhänger Hitlers geworden, als dieser im Jahr darauf die aufmüpfig werdende SA-Führung hatte erschießen lassen.
Pünktlich zum fünfundzwanzigsten Dienstjubiläum in der vergangenen Woche hatte man seinem Antrag stattgegeben und ihn im Ehrenrang eines Hauptsturmführers in die SS
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