Die Göring-Verschwörung
weil seine Feinde sich nicht an ihn herantrauten. Ein Privatmann aus London würde ein leichteres Opfer abgeben.
»Die Affäre könnte mich oder gar meine Frau in ernsthafte Schwierigkeiten bringen. Der Mörder wird mich zusammen mit Wardley gesehen haben.«
»Ich habe Maßnahmen getroffen, um Sie zu schützen. Major Binnewies aus meinem Leibregiment hat den Befehl, sich Ihrer anzunehmen.«
»Garantiert das meine Sicherheit?«
»Eine Garantie gibt es nicht. Der einzige Ausweg ist fortzuführen, was begonnen wurde. Ich brauche rasch einen vertraulichen Kontakt zu Britannien. Ich baue auf Sie.«
»Sie wollen, dass ich in Ihrem Auftrag nach London gehe?«
»Glauben Sie mir, unter normalen Umständen würde ich Sie nicht belästigen, doch für langwierige Annäherungstänze bleibt mir keine Zeit mehr. Die Ermordung Wardleys hat uns zurückgeworfen, dabei steht ein Kriegsausbruch unmittelbar bevor. Wir müssen innerhalb weniger Tage zu einer Übereinkunft kommen.«
»Für die Erhaltung des Friedens bin ich jederzeit bereit, mich zu verwenden«, erklärte Clarson. Außerdem würde er nur auf diese Weise erfahren, was wirklich gespielt wurde. »Attaché Wardley hatte eben begonnen, mich über Details in Kenntnis zu setzen, als wir jäh unterbrochen wurden.«
»Es ist ein Jammer«, sinnierte Göring, »dass Wardley den Erfolg seiner Arbeit nicht mehr erleben kann.«
»Ich gehe also recht in der Annahme, dass Sie Unterstützung von der britischen Insel suchen?«
»Ich erwarte nichts weiter, als dass London seinem Eigeninteresse folgt. Ein neuer Waffengang würde große Teile unserer Länder der Zerstörung preisgeben und könnte doch nur das Ergebnis haben, beide Mächte ins zweite Glied zurückzuwerfen.« Görings Tonfall wurde lauter und eindringlicher. »Die Vereinigten Staaten und Russland würden früher oder später auf den Plan treten und den erschöpften europäischen Mächten ihren Frieden diktieren. Die Amerikaner waren als ein Volk von hundert Millionen Menschen im letzten Krieg bereits ein entscheidender Faktor. Inzwischen sind daraus hundertfünfzig Millionen geworden, die alleine für ein ganzes Drittel der Weltindustrieproduktion verantwortlich sind.« Tief atmend wischte er sich erneut die Stirn. »Deutschlands Anteil liegt gerade bei einem Achtel. Die Zahlen für Großbritannien sehen noch ernüchternder aus. Und das bolschewistische Russland, der Erzfeind aller Kulturnationen, steht drohend im Osten und wird mit jedem Tag stärker.«
Er erhob sich und begann mit ausholenden Schritten auf und ab zu gehen. »Es wäre der Untergang der europäischen Großmächte!«, rief er in den Raum. »Und England ist das Land, das am meisten zu verlieren hat. Glauben Sie etwa, dass Indien unter diesen Umständen im Empire gehalten werden könnte? Nein, das britische Weltreich wäre für immer verloren.« Göring blieb unmittelbar vor dem sitzenden Clarson stehen und schaute ihm in die Augen. »Deutschland und England trennen keine unterschiedlichen Interessen, im Gegenteil. Wir wollen beide den Bestand unserer Reiche sichern und ähneln uns insofern sehr.«
»Ich denke nicht, dass Ihre Einschätzung von der Ähnlichkeit beider Regime in meinem Land geteilt würde«, entgegnete Clarson, ohne sich zu rühren. »In London brennen keine Synagogen und die Führer der Opposition sitzen im Parlament und nicht im Konzentrationslager.«
Er war sich noch immer nicht sicher, worauf Göring letztendlich hinaus wollte. Hatte er mithilfe von Wardleys Geheimdiplomatie das Königreich bloß aus einem kommenden Krieg heraushalten wollen?
»Ja, ja, diese Auswüchse müssen korrigiert werden«, gab Göring irritiert zurück. »Da gebe ich Ihnen ja recht. Aber Sie müssen verstehen, dass wir eine Revolution durchzuführen hatten. Wir standen vor der ungeheuren Aufgabe, eine starke kommunistische Bewegung in unserem Land auszurotten. Dabei mag hier und da über die Stränge geschlagen worden sein. Aber bei Revolutionen fließt nun einmal Blut. Es kommt jetzt nur darauf an, den europäischen Frieden sicherzustellen, alles andere wird folgen.«
»Dazu muss sich zunächst und vor allem die deutsche Politik ändern.«
»Die könnte sich bald sehr radikal ändern.«
»Sie meinen, es wird keine deutsche Aggression gegen die Tschechoslowakei geben?«
»Tut mir leid«, schüttelte Göring seinen gewaltigen Schädel. »Der Führer ist in dieser Angelegenheit völlig unnachgiebig und zu keinerlei Kompromiss bereit.«
»Haben Sie nicht
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