Die Göring-Verschwörung
Ende des Konflikts mit England und Frankreich bedeutet. Jede Verzögerung in dieser Angelegenheit könnte fatale Auswirkungen für die Neuordnung im Reich haben.« Göring holte tief Luft. »Sind Sie bereit, in diesem Sinne für die Interessen Britanniens und die Erhaltung des europäischen Friedens einzutreten?«
Eine neue Regierung würde sich also nur halten können, wenn sie sich in der Lage sah, den Deutschen den Frieden als Antrittsgeschenk zu machen. Es war, wie Wardley gesagt hatte. Hier eröffnete sich eine vielleicht einmalige Möglichkeit, die Welt vor einem Krieg zu bewahren und gleichzeitig Hitler loszuwerden.
»Jederzeit«, antwortete Clarson ohne zu zögern.
Göring ging auf ihn zu, schüttelte ihm die Hand und hielt sie fest. »Ich danke Ihnen von Herzen. Sie werden in Kürze wieder von mir hören. Mit Ihrer Hilfe werden wir ein neues Kapitel in der europäischen Geschichte aufschlagen: eine Ära der Freundschaft und Kooperation der germanischen Großmächte.«
Clarsons Fingerknöchel schmerzten unter Görings fester werdendem Händedruck, der dessen abschließende Worte unterstrich: »Das Reich ist bis an die Zähne bewaffnet und würde einen Krieg bis zur Vernichtung seiner Feinde führen, selbst wenn das den eigenen Untergang bedeutete.« Er klopfte Clarson auf den Oberarm und verließ dann in der gleichen abrupten Manier den Raum, wie er ihn betreten hatte.
Er hatte es nicht lassen können, mit einer unverhüllten Drohung zu enden. Ebenso wie die Vorführung eines Strahltriebjägers, der in Wahrheit niemals gebaut werden würde, war auch dies ohne Zweifel Teil einer wohlüberlegten Inszenierung. Seiner Kampfansage an die Radikalen des Regimes zum Trotz, hatte er nicht von den Methoden der Nazis Abschied genommen und spielte auf der ihm vertrauten Klaviatur von Versprechungen, Einschüchterung und Bluff.
Doch bei all dem Theaterdonner von Görings Auftritt war die besorgte Unruhe, der geradezu ängstliche Ausdruck in seinen Augen unverkennbar geblieben.
20
Oberst Clemens Nausitz strich nervös über die Standartenflagge des Potsdamer Infanterieregiments Nr. 9 an der Wand seiner Stube. Die Einheit stand in der Tradition der alten preußischen Garderegimenter und seine Offiziere hatten das entsprechende Elitebewusstsein verinnerlicht. Seit einem Jahr war er der erste bürgerliche Kommandant des Graf 9 , wie das Regiment wegen des hohen Anteils Adliger unter seinen Offizieren häufig genannt wurde. Wenn ihm dies vor zehn Jahren vorhergesagt worden wäre, als er sich als Reitlehrer auf pommerschen Junkerhöfen durchgeschlagen und in Stallungen geschlafen hatte, hätte er glauben müssen, verspottet zu werden. Nausitz war sich wohl bewusst, dass er seine späte, steile Karriere nur dem explosionsartigen Ausbau der Wehrmacht zu verdanken hatte, der eingetreten war, nachdem man Adolf Hitler zum Reichskanzler gemacht hatte. Plötzlich hatte man jeden einzelnen Weltkriegsleutnant gebraucht, auch die, die nichts mit dem Gesocks der Nazipartei im Sinn hatten.
Als er endlich ein Türklopfen vernahm, zog er kurz seinen Uniformrock straff und hieß seine beiden Gäste einzutreten.
»Wir haben einen Verräter in unserer Mitte!«, raunte er ihnen zu, kaum dass sie die Tür hinter sich geschlossen hatten.
»Aber nein, das haben wir nicht«, entgegnete General Halder, überrascht ob der ungewöhnlichen Begrüßungsworte.
»Wollen Sie etwa behaupten, dass Weihnacht sich tatsächlich beim Reinigen der Waffe eine Kugel in den Kopf gejagt hat?«
»Das war selbst für den SD eine erbärmliche Erklärung. Weihnacht wird sich durch irgendeine Dummheit verraten haben. Vermutlich hatte er sich dem Falschen anvertraut.«
»Und hat damit vielleicht uns alle verraten.«
»Wenn das der Fall wäre, wären wir drei schon auf dem Weg zum Schafott.«
»Fest steht jedenfalls«, warf Oberstleutnant von Dannegger ein, »dass der SD uns enger im Nacken sitzt, als uns lieb sein kann.«
»Vielleicht sollten wir unser Vorhaben nochmals überdenken«, gab Nausitz mit gequälter Miene von sich.
»Kommt überhaupt nicht infrage!«, fuhr von Dannegger ihn an. »Wir müssen es tun, schon um der vielen anständigen Männer willen, die die Nazis in Lager gesperrt und umgebracht haben, während wir nur zugeschaut haben.«
Von Dannegger war das Gerede satt, das letztendlich nichts weiter war als feiges Ausweichen vor dem Unvermeidlichen. Spätestens Weihnachts Tod hatte doch allen Beteiligten vor Augen führen müssen, dass es
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