Die Göring-Verschwörung
Ende dieses Regimes beizutragen.
»Ich bin jedenfalls froh«, fügte Binnewies hinzu, »dass Sie noch an Bord sind.« Er kippte den Rest seines Cognacs hinunter und verzog das Gesicht. »Wir müssen jetzt entschlossen handeln. Hermann agiert zu vorsichtig, zu taktierend, will immer den sicheren Weg gehen. Sich über Umwege mit Churchill abzusprechen, war ein Luxus, durch den uns der Führer gerade einen dicken Strich gemacht hat. Unsere einzige Chance, noch rechtzeitig eine Zusage zu erhalten, besteht darin, den direkten Kontakt zur Regierung zu suchen.«
»Langsam«, sagte Clarson, ehe Binnewies weitersprechen konnte, und hob abwehrend beide Hände. »Vor ein paar Minuten habe ich noch draußen im Schnee gelegen mit einer geladenen Pistole am Hinterkopf. Ich kann nicht sagen, dass ich daran besonderen Gefallen gefunden hätte. Es ist an der Zeit, dass ich etwas mehr darüber erfahre, was hier vorgeht.«
»Ich verstehe«, erwiderte Binnewies, den Blick fest auf Clarson gerichtet. »Immerhin halten Sie Ihre Haut für unsere Sache hin.«
Obgleich sie völlig alleine in dem großen Raum waren, beugte er sich zu Clarson hinüber und sprach mit leiser Stimme. »Das Ziel unseres Unternehmens kennen Sie. Weg mit Hitler und einem System, in dem Sadisten wie Struttner sich offen auf der Straße austoben und Staatsmacht spielen können. Es wird verdammt noch mal Zeit, dass diese Bande ausgetauscht wird. Praktisch die gesamte Heeresführung steht in der Sache hinter Hermann. Sie alle haben von Hitlers halsbrecherischem Kurs die Nase voll. Auf das Signal des Generalfeldmarschalls hin werden mit einem Schlag alle Macht- und Kommunikationszentralen des Reiches in unseren Besitz gebracht werden. Der Führer und seine engsten Helfershelfer in Staat und Partei sowie die gesamte SS-Führung und das im letzten Jahr eingesetzte Oberkommando der Wehrmacht werden innerhalb eines Zeitfensters von wenigen Stunden arretiert. Ganz Berlin wird von uns loyalen Truppen besetzt, an jeder größeren Straßenecke Kontrollposten eingerichtet. Die Aktion ist bis ins letzte Detail organisiert, alle Vorbereitungen sind abgeschlossen. Es ist eine Konstellation, die so nicht wiederkehren wird.«
Clarson beobachtete sorgsam Binnewies’ Mienenspiel. Görings Offizier zur besonderen Verwendung würde ein vorzüglicher Lügner sein. In seiner Position war dies eine unverzichtbare Eigenschaft. Clarson hoffte, dass zumindest die Hälfte von dem, was er hier zu nächtlicher Stunde aufgetischt bekam, der Wahrheit entsprach. So kritisch wie die Situation im Augenblick war, würde der Major ihm und wohl auch sich selbst Mut zusprechen wollen.
»Ihre Vorbereitungen sind offensichtlich nicht gänzlich unbemerkt geblieben.«
»Ja, unglücklicherweise hat der SD Wind davon bekommen, dass Hermann etwas plant. Sie haben daraufhin Wardley liquidiert, um seine Geheimkontakte nach London zu sabotieren. Dabei wird man auf Sie gestoßen sein und hat Sie prompt ins Visier genommen.«
»Spätestens seit dem Zusammenstoß von heute Abend wird der SD wissen statt nur vermuten, dass ich mit drinstecke.«
»Und hat gleich miterlebt, wie offen Hermann sein Regiment einsetzt, um Sie zu schützen.«
»Göring selbst scheint sich für unantastbar zu halten.«
»Obersturmführer Struttner wird darauf angesetzt sein sicherzustellen, dass Hermann nicht noch im letzten Moment vor seiner Entlassung irgendeinen Coup landet, der seine Position rettet. Von unseren wirklichen Absichten hat der SD keinen Schimmer.«
»Sie glauben, Göring ist im Prinzip schon abgemeldet?«
»Ein Ergebnis der Wühlarbeit unseres ehrenwerten Reichsführers SS«, nickte Binnewies. »Der SD untersteht Reinhard Heydrich und ist Teil von Himmlers SS-Imperium. Himmler arbeitet stetig und unermüdlich daran, seine Zuständigkeiten zu erweitern und Konkurrenten um die Macht auszuschalten. Erst hat er Hitler dazu gebracht, die SA-Spitze zu liquidieren, dann hat er es geschafft, Hermann die Zuständigkeit für die Polizei abzuluchsen und schließlich war er hinter den Kulissen die treibende Kraft, als vergangenes Jahr die Wehrmachtsführung ausgewechselt wurde.« Binnewies blies den Rauch des letzten Zuges zur Decke und zerdrückte den Zigarettenstummel im Aschenbecher. »Seit einer Weile intrigiert er nun gegen Hermann und hat ihn bei Hitler wegen seines Widerstands gegen den Kriegskurs erfolgreich angeschwärzt. Mit der Folge, dass der Feldmarschall aus dem inneren Kreis verbannt wurde, wo er der letzte
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