Die Göring-Verschwörung
verschluckt hat und sein Reich zu übermächtiger Stärke angewachsen ist. Statt unseren Alliierten auf dem Kontinent den Rücken zu stärken, lassen wir alles geschehen und versäumen in der Zwischenzeit, uns auf das Unvermeidliche vorzubereiten und endlich ein Rüstungsprogramm aufzulegen, das dem Deutschlands ebenbürtig ist.«
»Ich verstehe, dass Sie enttäuscht sind. Schließlich hatten Sie gehofft, Teil eines coup d’état gegen Hitlers Herrschaft sein zu können.« Beim Begriff coup d’état hatte Ashfield seiner Stimme einen ironischen Klang gegeben, als habe es sich dabei um eine utopische Kinderspielerei gehandelt. »Ich möchte Ihnen ganz offen sagen, dass ich daran nie geglaubt habe. Die Nationalsozialisten sitzen heute in Deutschland derart fest im Sattel, dass ein paar einzelne Männer daran nichts ändern werden.«
»Dank dem Einknicken der Regierung Seiner Majestät steht das in der Tat zu befürchten.«
Ashfield schüttelte unwirsch den Kopf und nahm die nächste Zigarette aus dem Teakholzkästchen auf seinem Tisch. Sein schweres Tischfeuerzeug war in die Metallkartusche einer kleinkalibrigen Artilleriegranate eingelassen, eines der typischen Geschenke für vormalige Offiziere dieser Waffengattung.
»Ich habe Einsicht in ein Dokument erhalten«, begann Clarson, unsicher, ob es noch Sinn machte, »in dem Hitler seine wahren Absichten dargelegt hat. Es handelt sich um das Protokoll einer Konferenz im November siebenunddreißig, in der er die Militärführung und seinen Außenminister auf einen Plan zur Beherrschung Europas verpflichtet.«
»Ihre Geschichten werden immer gruseliger«, antwortete Ashfield und ließ seine schlanke Hand in einer abwehrenden Geste winken.
»Exzellenz, die Besetzung Österreichs und der Tschechoslowakei werden darin als Vorbereitungsstufe eines Krieges gegen die Westmächte beschrieben.«
»Das kann ich nicht glauben. Dies wäre ein fürwahr erstaunliches Dokument. Vielleicht war es eine unbedachte Äußerung des Kanzlers. Gelegentliche Ausfälle aus seinem Munde sind ja nicht ganz unbekannt.«
»Was ich heute Morgen auf Görings Schreibtisch gesehen habe, fällt wohl kaum in diese Kategorie. Hitler hat während dieser Konferenz ausdrücklich und unmissverständlich betont, von welch grundsätzlicher Bedeutung seine Kriegspläne für ihn sind. Er bezeichnete sie gar als sein testamentarisches Vermächtnis im Falle seines Todes.«
Ashfield blickte unzufrieden. Die Nachricht schien ihn mehr zu stören, als zu entsetzen. »Was soll ich Ihrer Meinung nach jetzt tun? Was soll die Regierung Ihrer Majestät jetzt tun? Auf Hörensagen einen Krieg erklären, und darauf hoffen, dass Hitler tatsächlich verschwindet?«
»Es könnte eine einmalige Gelegenheit sein. Göring und seine Mitverschwörer aus dem Offizierskorps brauchen die Kriegserklärung der Westmächte, um ihre Tat vor dem deutschen Volk rechtfertigen zu können.«
Ashfield breitete seine Arme aus. »Darauf kann man keine Politik bauen, dass man sagt, wir haben da einen Mann in Berlin, der hat ein unglaubliches Dokument gesehen. So funktioniert das nicht. Die Regierung Seiner Majestät kann sich nicht an das waghalsige Abenteuer eines zu kurz gekommenen Nazis und ein paar preußischer Militaristen binden, die um ihre Pfründe fürchten. Die britische Regierung und vor allem der Premierminister selbst vertrauen darauf, dass sich die Verhältnisse auf dem Kontinent nach dem Ende der aktuellen Krise zu normalisieren beginnen. Europa ist ein alter Mann, der einen langen Weg gegangen ist und Ruhe braucht.«
»Der Friede ist möglich, Exzellenz, allerdings nicht mit Hitler, sondern nur mit einer neuen Regierung, die die Rechte der Nachbarvölker respektiert.«
»Es ist ja eine schöne Theorie, dass mit einem Putsch des von Ihnen offenbar verehrten Göring ein ewiges Friedensreich anbrechen würde. Doch welche Garantien haben wir dafür? Wie würde Britannien dastehen, nach einem Schulterschluss mit einer Verschwörung gegen ein legitimes Staatsoberhaupt, ausgemacht hinter verschlossenen Türen? Was geschieht, wenn der Staatsstreich scheitert, die Regierung Seiner Majestät aber mit den Umstürzlern konspiriert hat?«
»Treffen Sie sich mit Göring! Nur auf diese Weise kann die ganze Angelegenheit vorangetrieben werden.«
Ashfield winkte ab. »Es macht keinen Sinn, noch auf ein Pferd zu setzen, während ein anderes bereits durch die Ziellinie läuft.«
»Exzellenz, der Krieg mit Deutschland wird kommen. So oder
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