Die Göring-Verschwörung
so. Wenn unser Land jetzt Mut beweist und zu den Waffen greift statt wegzuschauen, kann bald schon alles wieder zu Ende sein, die Tschechoslowakei gerettet und Hitler auf dem Altenteil.«
»Ich sage Ihnen, das Gegenteil wird eintreffen«, erwiderte Ashfield so schroff, wie es seine kultivierten Umgangsformen gerade noch zuließen. »Auch ich habe meine Informationen aus Kreisen der deutschen Führung und ich glaube, meine Quellen sind etwas zuverlässiger als die Ihren. Wer die Gelegenheit hat, hinter die prachtvolle Kulisse des Dritten Reiches zu schauen, dem wird nicht entgehen, wie bitter nötig Deutschland eine Phase der Entspannung braucht. Die finanziellen Kalamitäten, in die sich Berlin manövriert hat, werden es dem Land nicht erlauben, seine Hochrüstungspolitik noch lange fortzusetzen.«
»Sie werden verzeihen, Exzellenz, aber das ist ein höchst eigentümlicher Standpunkt.«
»Sprechen Sie einmal mit Hjalmar Schacht, wenn Sie Gelegenheit dazu haben.«
»Dieser Gentleman ist mir noch nicht vorgestellt worden.«
»Schacht war bis Anfang dieses Jahres Reichsbankpräsident und als solcher einer der wichtigsten Männer des Nazi-Regimes«, antwortete der Vizebotschafter jovial, doch mit einem Unterton, der Clarson als ahnungslosen Außenseiter abzustempeln suchte. »Er ist ein weltgewandter Mann, aufgewachsen in den USA, holte Deutschland in den Zwanzigerjahren aus dem Elend der Hyperinflation. Ein Gespräch würde sich wirklich lohnen. Mit einem komplizierten System von verschachtelten Krediten und Scheinfirmen hat er die enorme Aufrüstung des Dritten Reiches erst finanzierbar gemacht, und nebenbei die Mittel für Autobahnen und Erholungsheime organisiert.«
»Sie meinen, alles ist auf Pump gekauft?«
»In der Tat. Hitler hat es geschafft, innerhalb von ein paar Jahren die gesunden Staatsfinanzen Deutschlands so vollständig zu zerrütten, dass es selbst Schacht zu heiß wurde und er ein Ende der Hochrüstung angemahnt hat. Hitler wollte das im Januar noch nicht wahrhaben und hat Schacht aufgebracht in Pension geschickt. Doch er wird die Augen nicht mehr länger vor den Realitäten verschließen können. Deutschland ist praktisch bankrott und Hitler weiß, dass er auf die Zusammenarbeit mit den anderen Mächten angewiesen ist, um aus dem Schlamassel wieder herauszukommen. Seine Alleingänge werden bald der Vergangenheit angehören.« Der Vizebotschafter war ganz vom augenblicklichen Erfolg der britischen Verständigungspolitik eingenommen und sah nicht, dass der deutsche Diktator einen anderen Weg aus seinem monetären Engpass wählen würde.
»Ich nehme an, dass Sie entgegen Ihrer Zusage keine Rücksprache mit dem Foreign Office in Bezug auf die besprochene Angelegenheit gehalten haben?«
»Sie sollten aufhören, Ihren Traumschlössern nachzujagen, mein Guter«, antwortete Ashfield, verärgert darüber, dass dem Erfolg der britischen Diplomatie die Anerkennung versagt blieb.
Clarson nickte und erhob sich, unwillig noch mehr Zeit auf den Vizebotschafter zu verschwenden.
»Genießen Sie den geretteten Frieden«, rief Ashfield ihm nach.
»Haben Sie das auch Ihrem tschechoslowakischen Amtskollegen gesagt?«, gab Clarson zurück und ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen.
35
»Meine Geduld mit den Tschechen hat jetzt ein Ende«, schrie Hitler, sein Oberkörper zuckte, während er seine rechte Hand säbelnd durch die Luft fahren ließ. Er wischte ein weiteres Mal das Haarbüschel zur Seite, das ihm über seine schweißfeuchte Stirn vor die Augen gerutscht war. »Ich habe den unverrückbaren Entschluss gefasst, nun ein für alle Mal mit dem Prager Schweinestall aufzuräumen.«
Eine halbe Stunde schon waren Emil Hácha, Präsident der demokratischen Tschechoslowakei, und sein Außenminister František Chvalkovsky einem ununterbrochenen Redeschwall ausgesetzt, dessen Ton zunehmend dem Wutanfall eines Feldwebels bei der Stubeninspektion ähnelte.
»Die kurze Geschichte Ihrer Republik ist eine einzige Ansammlung von Heuchelei und Feindseligkeiten gegen das deutsche Volk. Sie persönlich, Herr Präsident, nehme ich davon aus, doch das ändert nichts an meiner felsenfesten Absicht, den Geist der Beneš-Demokratie mit Stumpf und Stiel auszurotten.«
Die beiden Repräsentanten des wehrlosen Landes kauerten regungslos in ihren Sesseln und folgten mit ungläubigem Entsetzen dem Schauspiel, das der deutsche Reichskanzler vor ihren Augen aufführte.
Sein angegriffenes Herz hatte es dem
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