Die Göring-Verschwörung
der selbstredend innerhalb kürzester Zeit mit Brachialgewalt ein Ende bereitet würde und die die Vernichtung einer Unzahl von Kulturgütern auf tschechischem Territorium zum Ergebnis hätte, von den Verlusten an Menschenleben gar nicht zu sprechen. Oder aber Sie unterzeichnen die vorliegende Erklärung und verhindern damit unnötiges Blutvergießen.« Dabei zeigte er auf ein Schriftstück, das auf einem Tisch am Rande des Saales lag.
Hácha erhob sich, holte eine runde Hornbrille aus der Innentasche seines Jacketts und begab sich zu dem Dokument.
»Es ist der Text einer Übereinkunft«, erklärte Hitler, »die wir an die Presse geben möchten und die die Basis sein wird für alle zukünftigen Maßnahmen, sobald die Wehrmacht morgen die Kontrolle über die Rest-Tschechei übernommen hat.«
Während Hácha den kurzen Text studierte, wich auch die letzte Farbe aus seinem Gesicht. Er ließ das Papier aus seinen Fingern gleiten und nahm die Brille von der Nase. Sein Blick wanderte hilfesuchend zunächst zu seinem Außenminister dann zurück zu Hitler. »Das kann ich nicht unterzeichnen. Das liegt selbst für den Präsidenten der Republik außerhalb seiner Vollmachten.«
»Sollten Sie sich weigern«, entgegnete Hitler, »werde ich die Luftwaffe anweisen, Prag innerhalb von vierundzwanzig Stunden zurück ins Mittelalter zu bomben. Glauben Sie mir, da bin ich eiskalt.«
Hácha trat auf seinen Gastgeber zu. »Es muss doch eine andere Möglichkeit gehen, Herr Führer. Ich bitte Sie inständig!«
»Sie werden in eine verkohlte Ruinenstadt zurückkehren«, antwortete Hitler mit verschränkten Armen, »wenn Sie durch Ihre starrsinnige Haltung weiterhin eine unblutige Lösung verhindern.«
Auf der Stirn des Präsidenten hatten sich Schweißperlen gebildet, er krümmte sich unter einem Hustenanfall.
»Wenn Ihnen das Leben und das Wohlergehen Ihrer Landsleute am Herzen liegt, unterzeichnen Sie«, drängte Hitler weiter.
Hácha röchelte, sein Husten wurde stärker. Er griff Halt suchend nach der Rückenlehne eines leeren Polsterstuhls, doch das Möbel kippte nach hinten um und nahm den Präsidenten mit. Chvalkovsky stürzte herbei und begann in tschechischer Sprache hektisch auf Hácha einzureden, der rücklings mit leeren Augen auf dem Fußboden lag, ohne die kleinste Regung von sich zu geben.
»Der Morell soll kommen!«, schrie Hitler, von dem Ereignis aus dem Konzept gebracht.
Wenige Minuten später erschien Hitlers Leibarzt keuchend in der Flügeltür des Rathaussaales. Der schwer übergewichtige Mann kniete sich nach Atem ringend zu dem bewusstlosen Hácha hinunter und öffnete angestrengt seinen ledernen Arztkoffer. Er machte den Eindruck, als sei er selbst einer Ohnmacht nahe und würde jeden Augenblick über dem Präsidenten kollabieren. Mit hektischen Bewegungen seiner zitternden Hände kramte Morell eine der sonst dem Reichskanzler vorbehaltenen Amphetaminspritzen hervor und setzte sie an Háchas entblößtem Unterarm an. Er hatte kaum den Kolben bis zum Anschlag durchgedrückt, als der Präsident die Augen wieder aufschlug. Chvalkovsky und eine herbeigerufene Schwester geleiteten ihn zurück an den Seitentisch.
»Sie sind ein alter Mann, der einem zerfallenden Staat vorsteht«, sagte Hitler trocken. »Der Einmarsch der deutschen Truppen ist unabwendbar. Sie können ihrem Volk ein schlimmeres Schicksal ersparen.«
Háchas Miene zeigte, dass er aufgegeben hatte. Er setzte umständlich mit beiden Händen seine Brille wieder auf und las die Erklärung erneut.
Der Führer und Reichskanzler hat heute in Gegenwart des Reichsministers des Auswärtigen von Ribbentrop den tschechoslowakischen Staatspräsidenten Dr. Hácha und den tschechoslowakischen Außenminister Dr. Chvalkovsky auf deren Wunsch in Eger empfangen. Bei der Zusammenkunft ist die durch die Vorgänge der letzten Wochen auf dem bisherigen tschechoslowakischen Staatsgebiet entstandene ernste Lage in voller Offenheit einer Prüfung unterzogen worden. Auf beiden Seiten ist übereinstimmend die Überzeugung zum Ausdruck gebracht worden, dass das Ziel aller Bemühungen die Sicherung von Ruhe, Ordnung und Frieden in diesem Teile Mitteleuropas sein müsse. Der tschechoslowakische Staatspräsident hat erklärt, dass er, um diesem Ziel zu dienen und um eine endgültige Befriedung zu erreichen, das Schicksal des tschechischen Volkes und Landes vertrauensvoll in die Hände des Führers des Deutschen Reiches legt. Der Führer hat diese Erklärung angenommen und
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