Die Götter 2. Das magische Zeichen
dieselbe Waffe verfügten. Aber nicht sofort … Lorilis brauchte noch etwas Zeit, um in Ruhe über alles nachzudenken.
Das Quietschen eines Riegels gefolgt vom Knarren einer sich öffnenden Tür riss Lorilis aus ihren Gedanken. Ihr wurde also noch etwas Aufschub gewährt. Vorerst würden sich die anderen nicht für ihre seltsamen Kräfte interessieren.
Zejabel trat endlich aus dem Zimmer.
Zejabels Erscheinen war das Einzige, was Souanne dazu bewegen konnte, unter ihrer Decke hervorzukriechen. Sie schlief schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Überhaupt hatte sie die ganze alptraumhafte Nacht lang keinen Schlaf gefunden und war immer nur für wenige Dezillen eingenickt – und das, obwohl sie zutiefst erschöpft war. Wenigstens erlaubte ihr die sich öffnende Tür, von den anderen unbemerkt aufzustehen. Souanne ließ den Blick durch den Saal schweifen, in dem sie übernachtet hatten, und erhob sich langsam von ihrem improvisierten Lager. Sie musste furchtbar aussehen, mit zerknittertem Gesicht und tiefen Ringen unter den Augen. Zum Glück ging es den anderen nicht viel besser.
Vor allem Zejabel sah aus, als wäre sie von den Toten auferstanden. Sie wirkte noch ausgezehrter als am Abend zuvor, wenn das überhaupt möglich war. Trotzdem lag in ihrem Blick kalte Entschlossenheit. Kerzengerade stand sie in der Tür, schweigend und reglos. Die Zü schien auf etwas Bestimmtes zu warten, von dem niemand wusste, was es war. Maara, Najel und Lorilis warteten ungeduldig, dass Zejabel etwas sagte, und als nichts geschah, ergriff die Barbarenprinzessin das Wort.
» Was ist mit deinem Sohn? « , fragte sie barsch.
Ein Schatten huschte über das Gesicht der einstigen Kahati. Für den Bruchteil einer Dezille wandte sie sich ab und rang um Fassung. Dann sah sie die drei jungen Leute, die sie erwartungsvoll musterten, wieder an.
» Es war knapp « , sagte sie. » Aber er ist mit dem Leben davongekommen. «
Souanne wartete auf weitere Erklärungen, aber die Zü zeigte sich nicht besonders gesprächig. Sie musterte jeden von ihnen einzeln, als sähe sie ihn zum ersten Mal. In gewisser Weise stimmte das ja auch. In der Nacht, blind vor Sorge um ihren Sohn, hatte sie ihnen keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt.
» Najel « , befahl Maara. » Geh die anderen holen. «
Gehorsam bewegte sich der Junge auf den Ausgang zu, aber in diesem Moment ertönten Damiáns und Guederics Schritte im Flur, als hätten sie Maara gehört. Als sie Zejabel in der Tür zu dem angrenzenden Zimmer sahen, blieben die Brüder wie angewurzelt stehen. Souanne fiel ein, dass die Zü eine angeheiratete Tante der beiden war, doch sie bezweifelte stark, dass sie einander glücklich in die Arme fallen würden. Vielmehr lag plötzlich eine gewisse Anspannung in der Luft.
» Es ist lange her … « , begann Damián verlegen. » Was ist mit Josion? «
» Es geht ihm gut « , wiederholte Zejabel. » Er schläft noch, aber er wird sicher bald aufwachen. Eben hat er sich schon bewegt. «
» Wo ist meine Mutter? « , fragte Guederic ohne Umschweife. » Und wo sind die anderen? Was ist geschehen? «
Die Gesichtszüge der Zü verhärteten sich. Die anderen ahnten, dass es nicht aus Feindseligkeit geschah, sondern weil Zejabel keine guten Nachrichten brachte.
» Ich will warten, bis mein Sohn wach ist. Dann erzähle ich euch alles. «
Souanne kannte Guederic mittlerweile gut genug, um zu wissen, dass er sich mit einer solchen Antwort nicht zufriedengeben würde. Ohne zu zögern durchquerte er den Saal und wollte an Zejabel vorbei ins Zimmer. Mit ausgestrecktem Arm versperrte sie ihm den Weg.
» Ich verbiete dir, meinen Sohn zu wecken. Er braucht seinen Schlaf. Und wenn es einen ganzen Dekant dauert, bis er aufwacht, du wirst dich gedulden, und zwar ohne Widerworte. Vergiss nicht, dass du hier in meinem Haus bist. «
Guederic hielt ihrem Blick einen Moment lang stand, bevor er zurückwich und sich hilfesuchend zu seinen Freunden umsah. Doch selbst die sonst so rebellische Maara begehrte nicht auf. Für die Wallatten, wie für die meisten anderen Völker des Ostens, die man zu Unrecht als Barbaren bezeichnete, war es eine der höchsten Tugenden, seinem Gastgeber Respekt zu zollen. Die Kriegerprinzessin hatte offenbar nicht die Absicht, sich darüber hinwegzusetzen.
» Können wir Josion wenigstens sehen? « , brummte Guederic verärgert.
Zejabel zögerte, senkte aber schließlich den Arm, und Guederic drängte sich an ihr vorbei. Ohne genau zu wissen, warum, folgte
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