Die Götter 2. Das magische Zeichen
und Jugend Josion in diesen Wäldern verbracht hatte. Für seinen Cousin mussten sie ein Sinnbild seiner Einsamkeit sein. Seine einzigen Spielgefährten waren die Erinnerungen seiner Eltern und die düsteren Schatten der Dämonen gewesen, gegen die sie einst gekämpft hatten.
Dieser Gedanke schaffte, was der Kälte nicht gelungen war: Damián lief ein Schauer über den Rücken. Hätten unten im Waffensaal nicht mehrere Leichen gelegen, hätte Damián geglaubt, die Ereignisse der vergangenen Nacht nur geträumt oder sich eingebildet zu haben. Doch so müde war er nicht, dass er Traum und Wirklichkeit verwechselte. Und dann waren da noch die Tagebücher seiner Vorfahren. Da er ein geübter Leser war – ein Großteil seiner Arbeit bei der Grauen Legion bestand darin, Schriftstücke zu studieren –, konnte er sie nicht missverstanden haben.
Damián hatte fast die ganze Nacht in den Tagebüchern gelesen und dabei ein Geheimnis nach dem anderen entdeckt. Am Abend zuvor hatte Josion ihnen den Inhalt zwar grob zusammengefasst, aber die Bücher selbst in der Hand zu halten, war etwas ganz anderes. Sie stammten wahrhaftig aus der Feder seiner Großmutter Corenn und seines Vaters Amanón! Es waren ihre Geschichten, ihre Abenteuer, ihr Leid, ihre Kämpfe und ihre Siege …
Von all den ungeheuerlichen Geschehnissen hatte Damián bisher nicht das Geringste geahnt. Was sollte er bloß von all dem halten? Von der Herkunft der Götter und Dämonen, von dem Schicksal der Menschheit und dem Verschwinden der Unsterblichen aus der Welt? Wie lange würde es dauern, bis Damián bereit wäre, die Bürde dieses Geheimnisses zu tragen? Sicher ein ganzes Leben lang. Und all dieses Wissen war innerhalb weniger Dekanten über ihn hereingebrochen. Er fühlte sich von der Wahrheit wie betäubt, wie vor den Kopf geschlagen.
Immer wenn er sich an eine bestimmte Stelle in den Tagebüchern erinnerte, erschauderte er. Als Guederic plötzlich zu sprechen begann, zuckte Damián heftig zusammen. Er hatte fast vergessen, dass sein Bruder neben ihm ging.
» Sieh mal, da drüben. «
Damián folgte Guederics ausgestrecktem Finger und sah etwa dreihundert Schritte von der Zugbrücke entfernt zwei Pferde durch den Wald streifen. Menschen waren weit und breit nicht in Sicht.
» Das sind unsere « , versicherte Damián. » Ich erkenne Lorilis’ Fuchs. «
Guederic nickte und zog bibbernd den Mantel fester um sich.
» Sollten wir sie nicht besser reinholen? Wo sie schon in der Nähe sind … «
Damián dachte einen Moment lang nach und schüttelte dann den Kopf.
» Weitere Feinde könnten uns im Wald auflauern. Und selbst wenn nicht, sollten wir als Erstes nach den Pferden unserer Angreifer suchen. Irgendwie sind sie schließlich hergekommen. Wir müssen so viel wie möglich über sie herausfinden, und das können wir nur alle zusammen machen. «
» Und was dann? « , fragte Guederic weiter. » Du weißt so gut wie ich, dass wir nicht hierbleiben können. Bald werden noch mehr Männer aufkreuzen, um nachzusehen, warum ihre Kumpane nicht zurückkehren, und die Neuen werden sicher nicht lange fackeln, sondern uns gleich die Kehle durchschneiden. «
Damián nickte ernst. Er war zu demselben Schluss gekommen. Er hatte bereits darüber nachgedacht, wohin sie sich als Nächstes wenden könnten, aber er wollte Zejabels Bericht abwarten, bevor er sich endgültig entschied. Josions Mutter wusste vielleicht etwas Entscheidendes.
Aber da war noch etwas, das Damián keine Ruhe ließ. Etwas, das ihn ganz persönlich betraf. Er seufzte tief, zögerte noch einen Augenblick und gab sich dann einen Ruck.
» Sie wollten mich nicht töten « , sagte er unvermittelt.
» Was? Wovon redest du? «
» Von heute Nacht. Von unseren Angreifern. Sie haben mich verschont. Ich glaube, sie wollten mich lebend gefangen nehmen. Für kurze Zeit hatten mich zwei der Kerle in ihrer Gewalt, und einer sagte: ›Der da nicht. Kümmre dich um die anderen.‹ Durch ihren Wortwechsel waren sie kurz abgelenkt, so dass ich mich losreißen und weiterkämpfen konnte. «
Guederic sah ihn eindringlich an. Sein Blick war zugleich ungläubig und besorgt.
» Bist du sicher? Warum sollten sie so etwas tun? Was könnten sie von dir wollen? «
» Keine Ahnung. Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht. Vor allem, weil sie bei dem ersten Kampf in dem Keller in Benelia wirklich alles versucht haben, um mich zu töten. Ich verstehe nicht, was sich seither geändert hat. «
Sein Bruder runzelte
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