Die Götter 2. Das magische Zeichen
mitgenommen haben. Abgesehen davon ist es nur noch ein Symbol. Das gilt auch für den Speer, den ich Zuïa abgenommen habe. «
Sie wies auf die langstielige Waffe, die auf ihrem Bündel lag. Souanne warf einen kurzen Blick darauf, dann geschah etwas Unerwartetes: Zejabel streckte ihr das Schwert entgegen.
» Du wirst es tragen « , verkündete sie. » Nimm es. «
» Was? Aber … warum? «
» Irgendjemand muss es nehmen. Ich will das Schwert nicht auf der Burg zurücklassen, und auf keinen Fall darf es den Kerlen in die Hände fallen, die hier bald aufkreuzen werden. «
Souanne wandte sich zu den anderen um und suchte in ihren nicht minder überraschten Gesichtern nach einer Erklärung. Offenbar hatte niemand etwas dagegen, dass sie die Waffe trug. Warum auch? Es war schließlich nur ein Schwert, das Zejabel ihr für eine Weile anvertraute. Trotzdem war Souanne überzeugt, dass diese Übergabe mehr zu bedeuten hatte, als die Zü zugab.
Irgendetwas drängte sie, das Schwert an sich zu nehmen, und zwar jetzt gleich, solange man es ihr darbot. Die plötzliche Gier, die sie überfiel, machte Souanne Angst. Eins wusste sie jedoch mit Sicherheit: Ihr unerklärlicher Drang hing mit dem Blutrausch der vorigen Nacht zusammen. Außerdem ahnte Souanne, dass Zejabel etwas darüber wusste. Das alles konnte kein Zufall sein.
Dennoch konnte Souanne dem Drang nicht widerstehen: Sie streckte die Hand vor und schloss die Finger fest um das Heft des Schwerts. Das berauschende Gefühl, das sie durchströmte, vertrieb ihre letzten Zweifel – nicht aber ihre Fragen. Während die anderen auf die Tür zugingen, hielt Souanne Zejabel mit einer Handbewegung zurück. Sie wartete, bis ihre Gefährten außer Hörweite waren, und stellte dann die eine Frage, die ihr seit Tagen auf der Seele brannte: » Hat Amanón gesagt, warum ich euch begleiten soll? Warum hat er mich in die Sache hineingezogen? «
Zejabel warf ihr einen unergründlichen Blick zu.
» Das war reiner Zufall. Sonst nichts. «
Mit diesen Worten ließ sie Souanne stehen. Josion irrt sich, was seine Mutter angeht, dachte die Graue Legionärin bitter. Zejabel lügt sehr wohl, und zwar so gerissen wie jeder andere.
Jetzt musste sie nur noch herausfinden, welcher Teil von Zejabels Geschichte gelogen war – und warum die einstige Kahati ihnen nicht die Wahrheit sagte.
Obwohl der Mit-Tag näher rückte, war die Luft von dem nächtlichen Gewitter noch kühl. Maara atmete tief ein, um Körper und Geist von allem Unheil zu reinigen. Sie hatte eindeutig zu viel Zeit in der düsteren Burg verbracht. Es waren zwar nur wenige Dekanten gewesen, aber ihr kam es vor, als hätte sie seit Tagen den Himmel nicht gesehen. Seit die Kriegerin durch den unterirdischen Gang in die Burg der Familie de Kercyan eingedrungen war, schien sich die Welt von Grund auf verändert zu haben. Maara hatte erfahren, dass es die Götter tatsächlich gab, ihre Herrschaft jedoch der Vergangenheit angehörte. Auch Dämonen hatten unter den Menschen gelebt – taten es vielleicht noch immer. Ihr eigener Vater war an Kämpfen und Geschehnissen beteiligt gewesen, die das Antlitz der Welt verändert hatten, und die Sterblichen hatten von all dem nichts mitbekommen.
Am Schlimmsten war jedoch das Wissen, dass sie nicht nur die Mutter, sondern auch den Vater verloren hatte. Maara war jetzt Vollwaise.
Und damit war sie die neue Herrscherin von Wallatt.
Das beschäftigte sie momentan zwar nur am Rande, aber sie kam trotzdem nicht umhin, daran zu denken. Die Vorstellung machte ihr Angst. Sie fühlte sich einem so würdevollen Amt nicht gewachsen. Maara hatte immer gedacht, dass sie genug Zeit haben würde, sich auf ihre Rolle als Thronfolgerin vorzubereiten – mindestens noch ein bis zwei Jahrzehnte. Keb zu Ehren würde sie trotzdem ihr Bestes geben. Dabei hatte sie nicht einmal Zeit, in Ruhe um ihren Vater zu trauern. Es gab so viele Entscheidungen zu treffen, dass ihr der Kopf schwirrte. Abermals holte sie tief Luft und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen.
Die Gefährten betraten nun den Innenhof der Burg. Sie hatten ihre Waffen gezückt, schließlich mussten sie jederzeit mit einem weiteren Hinterhalt rechnen. Allerdings stießen sie nur auf die Leichen der Männer, die Josion und Zejabel in der Nacht niedergestreckt hatten. Hastig durchsuchten sie die Toten, fanden aber nichts, was Aufschluss darüber gab, wer die Männer waren oder in wessen Dienst sie standen. Dann überquerten sie die Zugbrücke, drangen in
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