Die Götter 2. Das magische Zeichen
er dann bereit, Maara blind zu folgen?
Guederic wagte noch nicht, seine Gefühle zu benennen. Selbst seine Verwirrung mochte er sich kaum eingestehen. Aber seit er mit Maara gekämpft hatte … Seit sie ihre Lowa drohend über seinem Kopf geschwungen hatte … Seit sie sein Leben verschont hatte und in Tränen ausgebrochen war …
In den letzten Tagen hatte er ihre verzweifelten Bemühungen beobachtet, sich inmitten einer Gruppe Fremder zu behaupten. Maara war stark und temperamentvoll. Sie war wie ein Licht im Dunkel der letzten Tage. Die hübsche Kriegerin ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.
Doch zum Glück musste er sich nicht zwischen ihr und seinem Bruder entscheiden. Maara machte eine ungeduldige Bewegung und stieß einen Fluch in ihrer Muttersprache aus, beugte sich dann aber dem Beschluss der Mehrheit – wenn auch mit sichtlichem Widerwillen.
» Wenn das Schiff später nicht mehr da ist, dann … « , knurrte sie.
Sie beendete den Satz nicht, sondern überließ es Damián und Josion, sich vorzustellen, wie ihre Rache aussehen würde. Guederic schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln, auf das sie nicht reagierte. Ihre abweisende Haltung kränkte ihn nicht, denn ihm war klar, dass er von allen Gefährten am härtesten um Maaras Vertrauen und Freundschaft würde kämpfen müssen.
Er würde ihr einfach etwas Zeit lassen.
Schweigend marschierten sie in einer Reihe hinter Zejabel her. Lorilis entdeckte ein ungeahntes Talent an sich selbst: Obwohl sie in der Dunkelheit kaum etwas sah, schlich sie leise wie eine Katze zwischen den Felsen hindurch. Vielleicht konnte sie auf diese Weise ja verhindern, dass ihre Feinde sie entdeckten. Andererseits schienen die mysteriösen Angreifer immer genau zu wissen, was die Erben taten und wo sie sich aufhielten. War es da nicht dumm zu glauben, sie könnten unbemerkt über die Insel spazieren?
Aber sie hatten keine Wahl, sie mussten es versuchen. So war jeder Schritt, den sie taten, ein kleiner Sieg – oder ein Aufschub, je nachdem, wie man es sah. Lorilis bemühte sich, nicht allzu sehr über die Frage nachzugrübeln, denn wenn sie ihren Gedanken freien Lauf ließ, sah sie vor ihrem geistigen Auge einen Dämon aus dem Grab steigen und sich auf sie stürzen. Um nicht wie gelähmt stehen zu bleiben oder schreiend davonzulaufen, konzentrierte sie sich auf ihre Füße und verbannte die Ängste in den hintersten Winkel ihres Kopfes.
Seit Lorilis gelernt hatte, sich auf etwas Bestimmtes zu konzentrieren, konnte sie ihre Gedanken mit erstaunlicher Leichtigkeit in eine bestimmte Richtung lenken. Und wenn sie wollte, konnte sie auch ihre Sinne mühelos schärfen: In diesem Zustand sah, hörte und roch sie sehr viel mehr als sonst. Nicht, dass sie plötzlich schärfere Augen, bessere Ohren oder eine feinere Nase gehabt hätte. Nein, sie durchschaute einfach, welche Kräfte die Welt im Inneren zusammenhielten. In diesem Zustand spürte Lorilis das Fließen der Energien und verstand instinktiv, welche Kräfte einander anzogen oder abstießen. So wie jeder weiß, dass kochendes Wasser Dampf erzeugt, begriff Lorilis nun, wie die Erde, die Luft und sogar ihr eigener Körper auf ihre Umgebung einwirkten.
Dieses Wissen war faszinierend, manchmal auch regelrecht berauschend – und höchstwahrscheinlich gefährlich. Das hatte der Vorfall mit dem Feuer in der vergangenen Nacht bewiesen. Lorilis wusste, dass sie an der Explosion der Flammen schuld war, aber sie wollte den anderen nichts davon sagen.
Schließlich hatten die schon genug Sorgen. Sie waren vollauf damit beschäftigt, Zejabel zu folgen, nach möglichen Feinden Ausschau zu halten und jedes Geräusch zu vermeiden.
Seit über einer Dezime waren die Erben nun schon unterwegs, aber nichts wies darauf hin, dass sie ihrem Ziel näher kamen. Zejabel schlug unzählige Haken, und allmählich fürchtete Lorilis, dass sie sich verlaufen hatten. Doch die Zü schritt weiterhin unbeirrt voran und bog ohne das leiseste Zögern mal links, mal rechts in einen Trampelpfad zwischen den Felsen ein. Lorilis fand es erstaunlich, wie gut sie sich in der Finsternis orientieren konnte. Zejabel blieb nur stehen, um ihre Gefährten auf ein Hindernis aufmerksam zu machen: Mal zeigte sie schweigend auf einen losen Stein, mal auf eine Stelle, wo Regenwasser den Fels ausgehöhlt hatte, dann wieder auf ein Paar Kreischmöwen, die in einer Nische brüteten. Um die Vögel nicht aufzuscheuchen und so ihre Feinde auf sich aufmerksam zu machen, mussten die Erben
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