Die Götter 2. Das magische Zeichen
bessere Idee, als noch einmal von vorne zu beginnen. Fein säuberlich legte er die Blätter zu einem Stapel zusammen, der ebenso hoch wie breit war. Als Nächstes brachte er die Seiten in eine sinnvolle Reihenfolge. Nachdem ihre Feinde die Manuskripte durchwühlt hatten, Damián sie überstürzt vom Schreibtisch seines Vaters eingesammelt und in eine Tasche gestopft hatte und sämtliche Erben sie an Bord der Wasserratte in den Händen gehabt hatten, waren Amanóns Aufzeichnungen ein einziges Durcheinander.
Damián brauchte einen halben Dekant, um alles in eine einigermaßen sinnvolle Ordnung zu bringen. Manche Seiten, die von derselben Größe oder Beschaffenheit waren, konnte er einfach zuordnen, während es bei anderen schwieriger war. Die Blätter waren nicht nummeriert, was die Sache noch kniffliger machte, und nach dem Inhalt konnte Damián auch nicht gehen, da er davon keine Silbe verstand. Hartnäckig, wie er war, kam er aber schließlich zu einem recht zufriedenstellenden Ergebnis. Vor ihm lagen nun verschiedene mehr oder minder geordnete Stapel aus Schreibheften, Manuskriptseiten und losen Notizblättern.
Doch leider war er immer noch weit davon entfernt, das Geheimnis der Papiere zu lüften!
Er fühlte sich vollkommen hilflos, blätterte aber trotzdem wahllos in einem der Hefte. Es schien keinen Hinweis auf die Lösung zu enthalten, und mit Geheimschriften kannte sich Damián leider überhaupt nicht aus. Zwar gab es bei der Grauen Legion einige Spezialisten dafür, aber Damián hatte ihre Dienste nie in Anspruch nehmen müssen. Sonst hätte er vielleicht wenigstens die Grundlagen des Entschlüsselns gelernt …
Plötzlich kam ihm ein beunruhigender Gedanke. Was, wenn Amanón keine Zeit mehr gehabt hatte, ihm den Schlüssel der Geheimschrift zu übermitteln? Lorilis mochte Recht haben, was die Pläne des Kommandanten anging, aber nichts bewies, dass er sein Vorhaben auch in die Tat umgesetzt hatte! Schließlich war Amanón durch Kebs Ankunft und die Nachricht über Sombres mögliche Rückkehr in Aufruhr geraten. Selbst Damiáns Vater war nicht unfehlbar. Er konnte vergessen haben, ihnen den Schlüssel zu verraten. Oder er hatte den Zeitpunkt für verfrüht gehalten. Oder aber er hatte Damián die Lösung dermaßen versteckt übermittelt, dass es unmöglich war, die Geheimschrift zu knacken. Damián seufzte verzweifelt. Als ob alles nicht schon kompliziert genug wäre!
Solange er nichts Wichtigeres zu tun hatte, wollte er auf keinen Fall aufgeben. Er zwang sich, die Papiere noch einmal durchzuschauen. Diesmal wählte er eine andere Herangehensweise. Statt sich auf die Geheimschrift zu konzentrieren, versuchte er sich in seinen Vater hineinzuversetzen und stellte sich vor, wie Amanón eben diese Seiten vollschrieb. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder hatte er den Text erst ganz normal zu Papier gebracht und ihn dann verschlüsselt – oder er hatte ihn direkt in der Geheimschrift verfasst. Im ersten Fall müsste es so etwas wie eine Umwandlungstafel geben –, doch die Erben hatten nichts dergleichen gefunden. Im zweiten Fall hätte Amanón eine recht simple Verschlüsselungsmethode anwenden müssen, um beim Schreiben den Faden nicht zu verlieren. Aber welche konnte das sein?
Die einzige Geheimschrift, die die Erben kannten, war die von Damiáns Urahn Maz Achem. Seinem Großvater Reyan war es einst gelungen, sie zu entschlüsseln – sehr zur Bewunderung seiner Gefährten. Maz Achem hatte in seinem Tagebuch ganz einfach jedes Wort von oben nach unten geschrieben. Der Text war dadurch völlig unverständlich, ließ sich aber trotzdem flüssig niederschreiben. Damián wandte diesen Schlüssel auf Amanóns Aufzeichnungen an – vergeblich. Selbst wenn er drei oder vier Zeilen zusammennahm, ergab sich keine verständliche Lösung.
Er probierte mehrere andere Varianten, schüttelte Buchstaben durcheinander und dachte sich die unmöglichsten Kombinationen aus, bevor er die Augen schloss und sich die Schläfen massierte. Warum kam er nicht darauf? Welcher Hinweis würde ihn zur Lösung des Geheimnisses führen? Was konnte er tun, um sich zu erinnern? Immer vorausgesetzt, er kannte den Schlüssel tatsächlich …
Noch einen weiteren halben Dekant zerbrach er sich den Kopf, dann raffte er ein paar Seiten zusammen und stieg entschlossenen Schrittes hoch an Deck. Er erspähte Lorilis am Großmast, sie war in ein Gespräch mit Najel vertieft. Als Damián näher kam, verfinsterte sich das Gesicht des
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