Die Götter - Das Schicksal von Ji: Die Götter 4 - Roman (German Edition)
den Kopf aber an Najels Schulter. Keiner der beiden machte Anstalten aufzustehen. In diesem Augenblick waren sie bloß zwei junge Menschen in einem vergessenen Tal– vor einer gewaltigen Pforte, die die Welt zu zerstören drohte.
Najel fragte sich, welcher Teil seiner eigenen Energie wohl von der Pforte angezogen wurde. Er konnte nichts spüren, aber hieß das auch, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte? Woher sollte er wissen, ob nicht auch die Vergangenheit und die Zukunft von der Magie der Pforte beeinflusst wurden? Wenn das ethekische Bauwerk tatsächlich alle Energieströme umlenken konnte, stand dem Universum ein unbeschreibliches Chaos bevor.
Najel seufzte, drückte Lorilis einen Kuss auf die Stirn, stand auf und ging zu Damián hinüber. Der Ritter hockte am Fuße der rechten Säule, das Schreibheft auf den Knien, und musterte die in den Stein gemeißelten Schriftzeichen aus der Nähe. Um ihn herum waren mehrere Manuskripte auf dem Boden verteilt. Soeben vermaß er den Abstand zwischen den Schenkeln eines Symbols. Najel ließ ihn seine Arbeit beenden und starrte fasziniert auf das gebogene Zeichen…
Da schoss ihm eine verrückte Idee durch den Kopf, und er bekam eine Gänsehaut. Gebogen.
Er lief zu Lorilis zurück, um ihr von seiner Entdeckung zu erzählen. Das Mädchen riss verdutzt die Augen auf und rannte zur linken Säule. Nach einem kurzen Augenblick der Konzentration wandte sie sich zu Najel um und nickte. Er hatte recht, obwohl er sich mit Magie überhaupt nicht auskannte.
Rasch liefen beide zu Damián hinüber, der überrascht den Blick hob und sich gewiss fragte, was die Aufregung zu bedeuten hatte.
» Die Schriftzeichen verbiegen die Energieströme!«, erklärte Lorilis. » Ich habe sie mir gerade genauer angesehen, und es ist ganz offensichtlich. Die Etheker haben das Alphabet erfunden, um die Energieströme in ganz bestimmte, genau berechnete Bahnen zu lenken, ohne Magie einsetzen zu müssen!«
» Vor der Vernichtung des Jal haben unsere Eltern das Phänomen nicht bemerkt«, setzte Najel hinzu. » Niemand wusste, wie die Pforten funktionierten und welche Bedeutung die ethekischen Schriftzeichen hatten. Natürlich unterlag die Magie damals auch ganz anderen Regeln. Aber jetzt ist es, als ob die Symbole erwacht wären. Die ethekischen Schriftzeichen haben ihre Macht zurückerlangt.«
Damián starrte die beiden Kinder verblüfft an. Dann wanderte sein Blick zu den Manuskripten, die um ihn herumlagen. Er nickte langsam, und ein Lächeln erhellte sein Gesicht.
» Ihr habt mir soeben den Schlüssel geliefert, der mir noch fehlte«, rief er aufgeregt. » Das, wonach mein Vater zwanzig Jahre lang gesucht hat.«
Damián hatte nicht übertrieben. Dank Najels und Lorilis’ Entdeckung fügten sich unzählige Puzzleteile zusammen. Seine Gedanken überschlugen sich, während Lorilis ihm weitere Erklärungen lieferte. Doch als das Mädchen ihm anvertraute, dass die Welt vom Untergang bedroht war, bekam seine Begeisterung einen Dämpfer. Zwar hatte Nol diese Möglichkeit bereits erwähnt, aber es war etwas ganz anderes, den Beweis dafür zu erhalten.
» Die Pforte oder die Schriftzeichen zu zerstören, wird nichts nützen«, sagte Damián nachdenklich. » Um Erfolg zu haben, müssten wir alle Pforten der bekannten Welt zerstören, und das ist unmöglich.«
» Aber diese Pforte ist die einzige, bei der ich das Phänomen festgestellt habe«, wandte Lorilis ein.
» Wahrscheinlich, weil sie die älteste von allen ist«, sagte Damián. » Selbst die Pforte auf dem Blumenberg wurde nach ihr errichtet. Womöglich zeigen sich die Kräfte, die heute von der Pforte hier im Tal ausgehen, in fünf, zehn oder dreißig Jahren auch bei den anderen. Ein paar Jahrzehnte sind nichts im Vergleich zum Alter des Universums, und das Chaos, das Saat verursacht, wird sicher noch eine ganze Weile brauchen, bis es sich voll und ganz entfaltet. Schließlich dauerte es auch zwanzig Jahre, bis die ersten Dämonen anfingen, sich an ihr früheres Leben zu erinnern.«
Bei den letzten Worten biss er sich auf die Lippen. Er hatte sich vorgenommen, dieses Thema aus Rücksicht auf seinen jüngeren Bruder zu meiden.
» Außerdem sind die Pforten nicht unser Hauptproblem«, fuhr er fort. » Das größte Problem ist Saat. Ich fürchte, selbst wenn es uns gelingen würde, alle Pforten zu zerstören, würde sich das Chaos, das er in die Welt gebracht hat, auf andere Weise offenbaren.«
Er verstummte, um den beiden Kindern nicht
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