Die Götter der Flusswelt - Flusswelt-Zyklus 5
zusammen, als er sie in Schatten hüllte.
»Er wird uns nichts tun, er ist darauf programmiert, uns nicht anzugreifen«, sagte Burton lächelnd.
»Es könnte ein schlechtes Omen sein.«
Er wollte nicht mit ihr streiten. Li Po und die Männer und Frauen aus dem 8. Jahrhundert, die er wiederbelebt hatte, waren intelligente und erfahrene Leute, und doch hatten sie sich nicht von ihrem Aberglauben befreien können. Li Po war vielleicht der flexibelste, aber selbst er reagierte dann und wann auf etwas, über das er mittlerweile hätte lachen oder an das er erst gar keinen Gedanken hätte verschwenden sollen.
Burton fragte sich, ob man sich tatsächlich erst vom Aberglauben befreien mußte, bevor man Voranschreiten konnte. Was hatte das Festhalten an einem absurden Glauben mit zunehmendem Mitgefühl und Verständnis sowie Freiheit von Haß und Vorurteilen zu tun? Es hatte viel damit zu tun, wenn es zu Furcht, Grausamkeit und irrationalem Verhalten führte. Aber durfte man fürchten, daß es Pech bedeutete, wenn einem eine schwarze Katze über den Weg lief, und weiterhin ein »guter« Mensch sein? Nein, nicht, wenn man einen Stein nach der Katze warf und seine Freunde schlecht behandelte, weil einen Angst und Schrecken in üble Stimmung versetzt hatten.
»Auch du hast Angst«, sagte Sternenlöffel.
»Was?« Burton starrte sie an.
»Du hast dreimal auf Holz geklopft. Auf den Tisch.«
»Nein, habe ich nicht.«
»Tut mir leid, daß ich dir widersprechen muß, Dick. Aber du hast auf Holz geklopft. Ich würde nicht lügen.«
»Ehrlich?«
Er lachte schallend.
»Was ist daran so komisch für dich?«
Er erklärte es, und sie lächelte. Zum ersten Mal seit Tagen,
dachte er, hat sie ihren leeren Gesichtsausdruck verloren. Naja, wenn er sie aus ihrer Gleichgültigkeit reißen konnte, indem er sich zum Narren machte, sollte es daran nicht scheitern.
»Ich habe dich nicht gefragt, wie es dir geht«, sagte er.
»Mir geht es gut.«
»Ich hoffe, du wirst bald wieder glücklich sein.«
»Ich danke dir.«
Burton erwägte, ihr vorzuschlagen, den Computer sämtliche Erinnerungen an brutale Erlebnisse (besonders die Vergewaltigung) heraussuchen und einfach löschen zu lassen, wie ein Chirurg einen entzündeten Blinddarm entfernte. Wenngleich die Löschung ihrem Gedächtnis viel entnehmen würde, womöglich einige Jahre, wenn man die Dauer aller diesbezüglichen Ereignisse zusammenzählte. Aber sie wäre dann immerhin frei von schmerzlichen Erinnerungen gewesen. Andererseits blieb die gefühlsmäßige Wirkung der Ereignisse bestehen, auch wenn sie selbst verschwunden waren. Der Computer würde nichts daran ändern können. Sternenlöffel wäre dann zwar vielleicht noch von der Liebe abgestoßen, hätte aber nicht mehr die geringste Ahnung, warum.
Der Geist mußte sich selbst heilen, aber er war nur selten ein erfahrener Arzt.
Burton verfluchte Dunaway insgeheim und wünschte, es gäbe eine Hölle, in die er den Mann hätte schicken können.
Sternenlöffel führte eine Gabel voll Forelle an den Mund und kaute, als sie über die tieferliegenden Schloßgärten, den Dschungelfluß und die dahinterliegende Wüste schaute. »Ich will, daß du eine andere Frau wiederbelebst, Dick«, sagte sie, nachdem sie den Bissen hinuntergeschluckt hatte. »Eine Frau, die sich deiner Bedürfnisse annehmen kann. Eine Frau, die Lachen und Lieben kann. Ich hätte nichts dagegen. Ich hätte nicht nur nichts dagegen, ich würde mich sogar sehr freuen.«
»Nein«, sagte Burton. »Nein. Es ist sehr großzügig von dir - und auch sehr chinesisch. Ich bewundere die Kultur und die Weisheit deines Volkes, aber ich bin kein Chinese.«
»Es ist nicht nur chinesisch. Es entspricht dem gesunden Menschenverstand. Es gibt keinen Grund, weshalb ich - wie hast du neulich noch gesagt? - ein Neid …«
»Ein Neidhammel. Einer, der etwas hat, was er nicht gebrauchen kann, es aber keinem anderen überläßt, weil er selbstsüchtig ist.«
»… ein Neidhammel sein sollte. Ich bin keiner. Bitte, Dick, es würde mich weniger unglücklich machen.«
»Aber ich würde nicht glücklich sein.«
»Wenn es dir peinlich ist, eine andere Frau hier zu haben, bringe sie in einer Wohnung unter und besuche sie. Oder … ich könnte gehen.«
Burton lachte. »Menschen sind keine Androiden«, sagte er. »Ich könnte doch um meines eigenen Vergnügens willen nicht einfach eine Frau wiederbeleben und sie dann einkerkern.
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