Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
ihrem Wahn folgen, was sie sicherlich für selbstverständlich hielt, oder er konnte sich endgültig gegen sie stellen und ihren Zorn auf sich ziehen.
Es war keine leichte Entscheidung, und Najel war so aufgewühlt und von seinen Verletzungen geschwächt, dass sein Urteilsvermögen litt. Auf der einen Seite fühlte er sich dem Klan der B’ree verpflichtet. Er respektierte Maara als seine ältere Schwester und brachte ihr große Zuneigung entgegen. Auf der anderen Seite war er davon überzeugt, dass die Erben zusammenbleiben und ihr Ziel gemeinsam verfolgen mussten. Außerdem hatte er mit den meisten bereits Freundschaft geschlossen.
Und noch ein weiteres Detail in Maaras Plan missfiel ihm: Sollte sie ihn nämlich in die Tat umsetzen, wäre Najel gezwungen, alles zu erzählen, was Usul ihm verraten hatte … Restlos alles. Und danach war ihm, zumindest im Augenblick, überhaupt nicht zumute.
Nicht einmal Maara hatte die ganze Wahrheit erfahren. Er hatte ihr gesagt, wer ihr Feind war und wo sich ihr Vater befand, und damit glaubte sie, alles zu wissen. Doch dem war nicht so. Zwei Dinge hatte Najel für sich behalten, zwei ungeheuerliche Enthüllungen, die Usul als Prophezeiung ausgesprochen hatte. Die eine kündigte einen Mord an, dessen Opfer und Täter beide zu ihrer kleinen Gruppe gehörten. Und in der zweiten ging es um eine Entscheidung, von der das Schicksal der Welt abhing.
Schon ein paar Dekanten nach diesen Weissagungen spürte Najel ihre erdrückende Last. Stand nicht schon mindestens eins der angekündigten Ereignisse kurz bevor? Konnte Maaras Plan dermaßen ausarten, dass er den Tod eines der Erben zur Folge hatte? Und wer von ihnen würde jene rätselhafte, folgenschwere Entscheidung zu treffen haben? Worum ging es dabei? Vielleicht handelte es sich um seine eigene Entscheidung, seiner Schwester nicht alles zu verraten. Maara zu helfen oder sich ihr zu widersetzen. Wurde das Schicksal der Welt vielleicht gerade in diesem Augenblick besiegelt, ohne dass er es ahnte?
In diesem Moment wälzte sich Lorilis erneut auf die andere Seite und verlängerte dadurch unabsichtlich Najels selbst gewähltes Schweigen. Dies gab ihm Gelegenheit, seine wachsende Furcht in den Griff zu bekommen. Er erinnerte sich daran, dass auch Yan, Lorilis’ Großvater, und später sein Sohn Cael, über Wissen verfügt hatten, das für einen Menschen untragbar war. Außerdem konnten Usuls Weissagungen durch diejenigen, die sie hörten, verändert werden. Doch die Fäden des Schicksals verschlangen sich oft zu unentwirrbaren Knoten. Statt ein Ereignis zu verhindern, konnte man es unabsichtlich noch beschleunigen oder eine vorteilhafte Entwicklung im Keim ersticken. Das war der einzige Zeitvertreib des allwissenden Gottes: den wenigen Sterblichen, die sich zu ihm verirrten, die Zukunft zu prophezeien, und dann zuzusehen, wie sie sich in Ungewissheit quälten. So lange, bis das vorhergesagte Ereignis eintrat – oder nicht eintrat – und die Zukunft abermals feststand. Dann war Usul wieder allein mit seiner Langeweile.
Bei diesem Gedanken sträubte sich alles in Najel. Die Vorstellung, ein Spielball des Dämons zu sein, war ihm unerträglich. Auf keinen Fall würde er zulassen, dass die elenden Prophezeiungen ihn lähmten oder in dem bremsten, was er zu tun hatte. Plötzlich verspürte der Junge das starke Verlangen, etwas zu unternehmen, irgendetwas zu tun, das die Erben ihrem Schicksal näher bringen würde – ganz gleich, wie dieses Schicksal aussah.
» Ich helfe dir«, murmelte er.
Trotzdem lief es ihm kalt den Rücken herunter, als Maara ihn verschwörerisch anlächelte.
Lorilis hatte das Geflüster schon seit einer ganzen Weile mit angehört. Sie versuchte zu verstehen, was gesprochen wurde, doch die bleierne Müdigkeit zog sie immer wieder ins Schattenreich des Schlafs hinab und verhinderte, dass sie den Worten Bedeutung beimaß. Dies wiederholte sich etwa ein halbes Dutzend Mal, und das junge Mädchen wurde immer ärgerlicher. Doch schließlich hatte sie genug Energie gesammelt, um wach zu bleiben und sogar die Augen zu öffnen.
Draußen war es hell, vermutlich schon seit längerer Zeit. Sie erkannte die Kajüte der Wasserratte, in die Zejabel sie letzte Nacht gebracht hatte. Nach und nach fielen ihr die jüngsten Ereignisse wieder ein. Die Ankunft auf der Insel des Dämons. Die Begegnung mit Usul. Dann der Angriff der Inselbewohner, die Panik der Erben und Najel, der sie mutig beschützt hatte.
Rasch setzte sie sich
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