Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
einen Weg finden hineinzugelangen. Oder unseren Vater dort herauszuholen.«
Guederic nickte. Wie einfach plötzlich alles klang, aus dem Mund eines Jungen, der gerade einmal den Kinderschuhen entwachsen war. Er ertappte sich sogar dabei, Najel um seine Unschuld zu beneiden, um diese unerschütterliche Zuversicht, die er selbst schon lange verloren hatte. Diese Eigenschaften waren kostbare Tugenden, vor allem, wenn sie mit einem klugen Kopf einhergingen.
» Das ist noch nicht alles«, fuhr Najel fort. » Da ist noch etwas, das wir euch nicht verraten haben. Usul hat mir den Namen unseres Feinds genannt.«
Es war, als würde ein eisiger Wind durch die Reihen der Erben wehen.
» Sombre?«, mutmaßte Zejabel mit finsterer Miene.
» Nein. Es ist Saat. Der Hexer, mit dem alles begonnen hat. Mein Großvater«, fügte er mit gesenktem Blick hinzu.
Die Gefährten begannen aufgeregt durcheinanderzureden, doch Guederic hörte kaum zu. Die Erwähnung dieses Namens hatte in ihm solch mörderische Instinkte geweckt, dass er die Zähne zusammenbeißen musste, um nicht laut loszubrüllen.
Saat.
» Admiral?«
Kapitän Mourd bemühte sich um einen klaren, möglichst gelassenen Tonfall, doch der Meister rührte sich nicht. Er saß zurückgelehnt in seinem Sessel, seine Augen waren geschlossen, und alles deutete darauf hin, dass er eingenickt war. Aber schlief er wirklich? Der Seemann kannte die Geschichten von Wagemutigen, die den vermeintlichen Schlaf des Greises hatten ausnutzen wollen. Ein paar Leichtsinnige hatten versucht, ihn im Schlaf zu bestehlen, und es gab sogar noch Verwegenere, die in der Gegenwart ihres Herrn Grimassen geschnitten und sich über ihn lustig gemacht hatten. Diese Geschichten gingen immer gleich aus, auch wenn sich die Einzelheiten voneinander unterschieden. Jedes Mal richtete sich der Hexer urplötzlich auf und fügte den Männern unvorstellbaren Schmerz zu. Bisweilen überließ er diese Aufgabe den Henkern, die in seinem Dienst standen, aber meistens übernahm er sie höchstpersönlich. Je nach Stimmung des Admirals konnte die Tortur nur ein paar Augenblicke dauern oder sich über mehrere Dekaden hinziehen. Selbst seine engsten Vertrauten rätselten, wie er es schaffte, dass die Gefolterten so lange am Leben blieben.
Mourd verspürte nicht das geringste Verlangen, sich in die grausige Liste der Opfer einzureihen. Deshalb blieb er auf der Türschwelle stehen und bewahrte eine möglichst respektvolle Haltung. Er hoffte bloß, dass sich dieser Augenblick nicht ewig hinziehen würde. Immerhin hatte er so die Gelegenheit, einen verstohlenen Blick in das Arbeitszimmer des Admirals zu werfen, oder zumindest auf das, was im Kerzenschein zu sehen war.
Draußen war helllichter Tag, aber vor den Fenstern hingen tagaus, tagein schwere Vorhänge. Auch war es hier drinnen wesentlich kühler. Während die Felsen, die das Ufer der Insel säumten, von der Sonne erwärmt wurden, herrschte im Domizil des Hexers eine Kälte, die einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Außerdem verbreitete das Gebäude einen abstoßenden Geruch nach Schimmel und Fäulnis, den sich keiner erklären konnte.
In dem Zimmer herrschte eine unheilvolle Atmosphäre. Wenn der Meister nicht auf seinem Admiralsschiff auf Reisen war, verbrachte er hier den Großteil seiner Zeit, umgeben von unzähligen Regalen, die unter dem Gewicht Tausender uralter Bücher ächzten. Keiner außer ihm wusste auch nur, in welcher Sprache sie verfasst waren, aber er schien dieser Bücher zu bedürfen, wie ein gewöhnlicher Mensch Luft zum Atmen braucht. Jedes Mal, wenn Mourd das Zimmer betrat, fand er den Meister über ein Manuskript oder eine Karte der bekannten Welt gebeugt vor, in die er winzige Nadeln stach. Dass er schlief, war bisher noch nie vorgekommen.
Ein schrecklicher Gedanke durchzuckte den Seemann. Was, wenn der Hexer tatsächlich sein Leben ausgehaucht hatte? Zwar legte er für einen Mann seines Alters immer noch eine bemerkenswerte Kraft an den Tag, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass er ein Greis war. Sein Gesicht war zerfurcht, die Zähne schlecht, und er hatte kaum noch Haare auf dem Kopf … Wartete Mourd vielleicht umsonst darauf, dass sein Meister ein Lebenszeichen von sich gab? Was sollte er tun? Weiter warten oder sich der Leiche nähern?
» Admiral?«, wiederholte er mit leicht schriller Stimme.
Als Antwort ertönte ein Knirschen, dessen Ursprung er nicht sofort ausmachen konnte. Irgendwann kam er zu dem Schluss, dass
Weitere Kostenlose Bücher