Die Götter - Die Macht der Dunkelheit - Grimbert, P: Götter - Die Macht der Dunkelheit - Les Gardiens de Ji, Tome 3: Le deuil écarlate
und lebte noch. Schließlich war ihren Großeltern schon einmal Ähnliches widerfahren, und die Geschichte der Erben schien sich stets zu wiederholen. Für die anderen war Kebree längst tot. Wie hätte er sonst ins Jal gelangen können? Die Pforten hatten ihre Kraft verloren, als Sombre die Ewigen Wächter tötete. Und selbst wenn irgendwo auf der Welt eine Pforte auf wundersame Weise erhalten geblieben wäre – warum nutzte Kebree sie dann nicht, um in die Welt der Sterblichen zurückzukehren?
Damián konnte sich für keine der beiden Möglichkeiten entscheiden. Er hätte Souanne nur zu gern geglaubt, dass ihre Eltern noch lebten, aber ihre plötzlich aufgetretene Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen, schien ihm weniger zuverlässig als Usuls absolutes Wissen. Außerdem beschäftigte ihn noch eine ganz andere Frage: In welchem Teil des Jal befand sich Kebree? Im Dara oder im Karu? In den Gärten oder in der Unterwelt?
Jedenfalls hatten die Erben nur zwei Möglichkeiten: Entweder mussten sie selbst ins Jal gelangen – oder sie mussten ihre Eltern auf irgendeinem Weg herausholen, was im Grunde auf dasselbe hinauslief und schlicht und ergreifend unmöglich erschien – zumindest nach ihrem jetzigen Wissensstand. Doch wer konnte ihnen da weiterhelfen?
Vielleicht Nol der Seltsame. Aber der Ewige Gott war auch verschwunden. Und selbst wenn er ebenso wiederauferstanden war wie Saat und Usul, so wusste Damián doch noch lange nicht, wo sie nach ihm suchen sollten. Die jüngste Generation der Erben von Ji konnte sich nicht auf die Regeln der alten Ära verlassen, und somit erwies sich das Zeitalter von Ys wahrhaftig als neue Welt, auch wenn es nicht immer den Anschein hatte.
Plötzlich sah Damián ihre Lage in einem ganz neuen Licht. Er erkannte, dass sich die zahlreichen Veränderungen, die ihr Universum durchgemacht hatte, zum Vorteil der Erben nutzen ließen. Es dauerte nicht lange, bis er auf die eine Idee kam, nach der sie die ganze Zeit gesucht hatten.
Ungeduld und Angst verstärkten das Schwächegefühl, das sich seiner bemächtigte. Ihm war, als würde er aus einem langen Schlummer erwachen, obwohl er in Wirklichkeit viele Dekanten Schlaf nachzuholen hatte. Er wandte den Blick vom Horizont ab, musterte seine Kameraden, die entlang der Reling standen, und blickte dann wieder in die Ferne, zur Küste Romins hinüber.
» Wir wenden«, befahl er und brach damit das Schweigen. » Kurs auf die Küste.«
Dass sich ihm sieben verwunderte Gesichter zuwandten, ließ ihn nicht wanken. Endlich waren alle Zweifel von ihm abgefallen. Noch nie hatte er sich in seiner Rolle als Anführer wohler gefühlt als in diesem Augenblick.
» Was? Hier?«, fragte Josion zweifelnd. » Wo es von Piraten nur so wimmelt? Bist du sicher?«
» Wir können nicht ziellos geradeaus weitersegeln«, erklärte Damián. » Deshalb sollten wir vor der Küste vor Anker gehen und uns erst einmal ein wenig ausruhen. Und dann machen wir kehrt und fahren zurück.«
Diese Ankündigung löste bei den anderen noch mehr Verwunderung aus. Er war so aufgeregt, dass ihre Überraschung ihn fast schmunzeln ließ. Jetzt, wo seine Entscheidung feststand und die Zeit des ziellosen Umherirrens vorbei war, brannte er darauf, sich an die Arbeit zu machen. Das war es, was er schon als Ritter der Grauen Legion am besten gekonnt hatte: Aufgaben verteilen und nach Hinweisen und Spuren suchen.
Doch dazu mussten die Gefährten einer sechsundvierzig Jahre alten Spur folgen und sich den Gespenstern der Vergangenheit stellen.
Die Sonne stand im Zenit, als der Anker der Wasserratte in die Fluten eintauchte. Souanne sah zu, wie die Kette mit dem eisernen Doppelhaken wie eine Schlange zappelte, während sie im Wasser verschwand. Dann verlangsamte sich der Lauf der Kettenglieder und hielt mit einem Ruck inne, und Souanne konnte die Seilwinde wieder feststellen. Die Wasserratte trieb noch ein paar Augenblicke weiter, bis der Anker im Meeresboden Halt gefunden hatte. Dann stand das Schiff still.
Die junge Frau fuhr fort, die Küste zu beobachten. Nach ihrem Beschluss, Kurs auf das Festland zu nehmen, hatten die Erben entschieden, den Hafen von Manive anzusteuern. Nur hier waren sie einigermaßen sicher vor Piraten. Allerdings legten sie nicht direkt am Pier an, sondern ankerten in der Bucht vor dem Hafen. Etwa zwanzig andere Schiffe taten es ihnen gleich und schaukelten außerhalb der Anlegestege im Schutz der Rosenstadt auf dem Wasser, wo sie vor neugierigen Blicken
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